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Das Ratespiel um Trumps wahre Ziele in der Ukraine

Mond von Alabama

Das Rätselraten über die tatsächliche Haltung von Präsident Donald Trump zum Frieden in der Ukraine geht weiter.

Einige Kommentatoren – mich eingeschlossen – sind der Meinung, dass Trump einen Fehler gemacht hat, indem er sich zu stark für die Ukraine engagiert hat. Andere glauben, dass Trump die Öffentlichkeit täuscht, während er hinter verschlossenen Türen am Frieden arbeitet.

Die letzten beiden Blogbeiträge waren Teil dieses Ratespiels:

  1. Hat Trump wirklich einen Plan für die Ukraine?
  2. Ukraine – Rohstoffdeal, Lawrow lehnt Friedenstruppen ab, wird der Krieg Trumps Vietnam?

Zusammenfassung der bisherigen Einschätzungen

In der ersten Analyse kam ich zu folgendem Fazit:

Keine der beiden möglichen Strategien Trumps – entweder durch einen Rohstoffdeal die US-Präsenz in der Ukraine zu sichern oder durch denselben Deal den Bruch mit der Ukraine einzuleiten – ist mit einer realistischen Bewertung der Lage vereinbar.

Zumindest nicht, wenn das Ziel tatsächlich Frieden ist.

Mein Fazit: Trump hat überhaupt keinen Plan für einen Frieden in der Ukraine.

Im zweiten Beitrag argumentierte ich:

Indem Trump auf den Deal drängt, anstatt das russische Angebot für den Zugang zu Mineralien anzunehmen, verpflichtet er sich dazu, den Krieg in der Ukraine weiterzuführen.

Dies wird letztendlich zum Scheitern seiner Friedensinitiative führen.

Der Ukraine-Krieg ist nun dazu bestimmt, Trumps Vietnam zu werden.

Unterstützung durch Yves Smith bei Naked Capitalism

Yves Smith von Naked Capitalism stimmt meiner Einschätzung zu. Sie verweist auf ein kürzliches Gespräch zwischen Richter Napolitano und Oberst Douglas MacGregor und schreibt:

Dieses Segment bestätigt, wovor ich gewarnt habe – doch viele Kommentatoren wollen es nicht wahrhaben: Wenn der Ukraine-Rohstoffdeal zustande kommt, wird er die USA an die Ukraine binden und somit auch weiterhin in den Krieg verwickeln.

Anders ausgedrückt: Dieser Deal bringt den USA nichts, aber er könnte Trump enormen Schaden zufügen, falls die Friedensverhandlungen scheitern – oder gar nicht erst beginnen.

Während des Gesprächs zitierte Napolitano eine Aussage Trumps:

„Präsident Selenskyj kommt, um den Deal zu unterzeichnen, und das ist eine großartige Sache. Es ist auch ein großartiger Deal für die Ukraine, weil wir dann dort sein werden, wir werden dort arbeiten, wir werden auf dem Land sein – und dadurch gibt es sozusagen automatisch Sicherheit, denn niemand wird sich mit unseren Leuten anlegen, wenn wir dort sind. Also werden wir dort sein. Aber Europa wird genau darauf achten. Ich weiß, dass das Vereinigte Königreich und Frankreich bereits gesagt haben, dass sie sogenannte Friedenstruppen entsenden wollen, und ich denke, das ist eine gute Sache.“

Napolitano und MacGregor kritisierten Trumps Position scharf:

Napolitano: „Wir beide respektieren ihn und begrüßen seine Bereitschaft, mit den Russen zu sprechen. Aber Aussagen wie diese zeigen entweder große Unwissenheit oder sehr schlechte Geheimdienstinformationen. Ihre Einschätzung, Oberst?“

MacGregor: „Das ist höflich ausgedrückt. Ehrlich gesagt muss Präsident Trump die Idee loswerden, irgendjemanden in die Ukraine zu schicken, der nicht Ukrainer ist. Er sollte sich komplett heraushalten. Ich habe das gehört und war ernsthaft enttäuscht, weil es eine grobe Fehleinschätzung ist.“


Die andere Sichtweise: Trump verfolgt einen größeren Plan

Andere Analysten hingegen lehnen diese pessimistische Einschätzung ab.

Der Kommentator Gilbert Doctorow analysierte Trumps Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Keir Starmer und argumentierte:

„Selbst einige der klügsten und weltgewandtesten Trump-Beobachter in alternativen Medien unterschätzen ihn und halten ihn weiterhin für einen Clown, dessen Widersprüche und Unbeständigkeiten in seinen öffentlichen Aussagen darauf hindeuten, dass er keine Initiative erfolgreich abschließen kann.

Doch Trump ist ein Meister der Täuschung. Die heutige Pressekonferenz mit Keir Starmer war der endgültige Beweis dafür: Die vage Idee, dass Amerika die europäischen Friedenstruppen in der Ukraine unterstützt, ist rein taktischer Natur.

Es dient einzig dazu, die Europäer ruhigzustellen, während Washington im Hintergrund eine für alle akzeptable Endlösung mit Moskau aushandelt – die letztendlich der Ukraine und Europa aufgezwungen wird.

Doctorow verweist dabei auf Oberst Larry Wilkersons Einschätzung in einem Interview:

Napolitano: „Versteht Trump Putins Denkweise nicht?“

Wilkerson: „Offenbar nicht. Diese Äußerungen sind sehr unklug, weil sie seine eigene Fähigkeit untergraben, ein gutes Abkommen auszuhandeln. Das ist einfach Unsinn – und wird mit jeder Wiederholung noch schlimmer.**

Das ist mein Problem mit Trump: Er löst ein Problem – zumindest vorläufig – und dann zerstört er es selbst wieder mit seinem Mundwerk.

**So kann man keine Diplomatie betreiben.“

Mearsheimer: Öffentliche und private Trump-Strategie unterscheiden

Professor John Mearsheimer hingegen glaubt nicht an Wilkersons Einschätzung:

„Wenn man sich Trumps Regierung und seine Außenpolitik ansieht, muss man zwischen zwei Ebenen unterscheiden:

1. Was hinter verschlossenen Türen geschieht – also der eigentliche Entscheidungsprozess.
2. Was öffentlich diskutiert wird.

Trump und sein Team wissen genau, was Russlands Forderungen sind. Dass Trump und andere gesagt haben, dass ein Abkommen möglich ist, zeigt, dass sie diese Forderungen akzeptieren werden. Punkt.

Das umfasst auch die „verrückte Idee“ von Friedenstruppen und Sicherheitsgarantien. Putin hat klar gemacht, dass das nicht in Frage kommt – und Trump hat das nun de facto akzeptiert.

Öffentlich sieht es hingegen chaotisch aus, weil Trump redet, was er will. Aber das ist irrelevant. Was zählt, ist, was er privat sagt – und dort ist die Marschrichtung klar.

Fazit: Schachspiel oder Chaos?

Ich hoffe, dass Doctorow und Mearsheimer mit ihrer Interpretation recht haben – dass das öffentliche Spektakel, das wir sehen, nur eine Fassade für eine seriöse Politik hinter den Kulissen ist.

Doch ich fürchte, dass Wilkerson recht behält – dass zu viel öffentliches Gerede, auch wenn es nicht ernst gemeint ist, seine eigene Realität erschaffen kann.

Trump bringt die Europäer in Position

Positiv ist jedoch: Trump zwingt die Europäer in eine Linie.

Frankreichs Präsident Macron und Großbritanniens Premier Starmer konnten keine US-Unterstützung für europäische Truppen in der Ukraine sichern.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wurde in Washington sofort abgewiesen – ihr Treffen mit Außenminister Marco Rubio wurde wegen „Terminschwierigkeiten“ abgesagt.
Gerüchten zufolge hat Kallas während der Münchner Sicherheitskonferenz Verteidigungsminister Pete Hegseth „Appeasement!“ entgegengeschrien.

Putins Vorhersage trifft ein

Präsident Putin sagte voraus, dass die Europäer am Ende „mit dem Schwanz wedelnd zu Trumps Füßen liegen“ würden – und genau das passiert jetzt.

Doch das größte Hindernis für den Frieden bleibt Selenskyj.

Trump wird ihn möglicherweise dazu bringen, den „wertlosen Mineralien-Deal“ zu unterzeichnen – aber wird das ausreichen, um ihn auf Linie zu bringen?

Die zentrale Frage bleibt: Ist Trump wirklich willens und fähig, das gesamte geopolitische Sicherheitskonzept für Europa zu verhandeln?