Mit stillschweigender Billigung der USA und finanziert durch Golfstaaten kehrt die Weltbank unter dem Deckmantel der „technischen Kooperation“ nach Syrien zurück – ein Vorzeichen für neue Privatisierungen, Spardiktate und ausländische Kontrolle über syrisches Staatsvermögen.
Trotz der westlichen Sanktionen und der politischen wie wirtschaftlichen Instabilität hat die Bank rasch Kontakt zur von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) geführten Übergangsregierung aufgenommen. Auslöser: Saudi-Arabien und Katar beglichen Syriens Rückstände bei der Weltbank in Höhe von 15,5 Mio. Dollar.
Zeitgleich fanden drei entscheidende Entwicklungen statt: Erstens stufte Washington Syriens Status bei der UN zu einer „nicht anerkannten Regierung“ herab, forderte aber eine „inklusive Übergangsregierung“. Zweitens setzten sich mehrere Staaten dafür ein, dass syrische Beamte Visa für die Frühjahrestagung 2025 von IWF und Weltbank erhielten. Drittens ernannte der IWF einen Syrien-Beauftragten – kurz darauf kündigte US-Präsident Trump in Saudi-Arabien die Aufhebung der Sanktionen an, nach einem Treffen mit Syriens neuem Präsidenten Ahmad al-Sharaa.
Diese Kette von Ereignissen wirft Fragen auf: Agierte die Bank unabhängig von Washingtons strategischer Linie? Hätte sie ohne Trumps Sanktionserlass kooperiert? Ging es wirklich nur um nicht gezahlte Beiträge – oder war es Assad selbst, der im Weg stand?
Weltbank als geopolitisches Werkzeug
Syrien, seit 1947 Mitglied der Weltbank, war nie ein einfacher Kunde. Trotz Baath-Sozialismus holte sich Damaskus gelegentlich technische Hilfe. Zwischen 1963 und 1986 erhielt Syrien insgesamt 19 Kredite. Zwischen 2002 und 2011 – nach Begleichung früherer Schulden – begann eine neue Phase beratender Zusammenarbeit, orchestriert von Abdullah al-Dardari, einem neoliberalen Architekten aus Damaskus und später selbst Weltbank-Berater.
Diese Perioden der Öffnung fielen stets mit geopolitischen Veränderungen zusammen. In den 2000er Jahren etwa harmonierten US-Ziele einer marktwirtschaftlichen Transformation in der arabischen Welt mit Damaskus’ vorsichtiger Modernisierungspolitik – eine Annäherung an neoliberale Strukturen ohne vollständige Preisgabe staatlicher Kontrolle.
Doch ebenso häufig gab es Brüche: 1986–2002 (wegen Schulden und Sanktionen) sowie 2011–2025 (wegen des westlich unterstützten Regimewechsels). Trotzdem beobachtete die Bank weiterhin Syriens wirtschaftlichen Niedergang und dokumentierte Verluste von 226 Mrd. Dollar BIP – das Vierfache des Vorkriegsniveaus.
Privatisierung unter dem Vorwand der „Entwicklung“
Riyadh und Doha sichern mit ihrer Zahlungsbereitschaft ihren Einfluss. Die Türkei wiederum verspricht sich von der IWF-Linie Vorteile in Sachen Flüchtlingsrückführung und Grenzhandel. Die HTS-nahe Übergangsregierung selbst äußert sich technokratisch: Man wolle keine Kredite aufnehmen, sondern „nur technische Zusammenarbeit“.
Doch Experten erwarten anderes. Frühere Erfahrungen zeigen: Technische Hilfe ist oft nur das Vorspiel für Auflagenpakete – mit Spardiktaten, Subventionsabbau, Entlassungen und der Vorbereitung auf Währungsfreigaben. Schon jetzt prüft die Bank diskret syrische Infrastruktur und Vermögensverzeichnisse – ein bewährtes Drehbuch.
Ein geopolitischer Deal mit hohen Kosten
Noch sind keine formellen Bedingungen bekannt. Doch der Verdacht liegt nahe, dass zukünftige Hilfen an politische Konzessionen gekoppelt sein könnten – etwa die Normalisierung mit Israel, wie sie aus ähnlichen Kontexten in Libanon bekannt ist.
Dass die Rückkehr der Weltbank ausgerechnet unter Trump erfolgt, ist bezeichnend: Der „Abbruch der Sanktionen“ wurde hinter verschlossenen Türen mit den neuen syrischen Machthabern verhandelt. Für Damaskus könnten die wahren Kosten des Wiederbeitritts zur Finanzordnung bald sichtbar werden – in Form von verlorenem Volksvermögen und wachsender sozialer Not.