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Jahrelange Studie zeigt, dass 8 von zehn wissenschaftlichen Studien nicht standhalten – wem können wir noch glauben?

Vertrauenskrise in der Forschung: Warum so viele Studien nicht halten, was sie versprechen

Von außen betrachtet wirkt Wissenschaft wie ein Bollwerk aus Fakten und Gewissheiten. Doch ein neuer Großversuch aus Brasilien zeigt: In Wirklichkeit scheitern erschreckend viele Experimente daran, sich wiederholen zu lassen. Eine Katastrophe, die weit über Brasilien hinaus die gesamte biomedizinische Forschung ins Wanken bringt.

Was ist passiert?

Die sogenannte Brazilian Reproducibility Initiative (BRI) hat sechs Jahre lang untersucht, wie verlässlich die Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien wirklich sind. Dazu wurden 96 Experimente aus brasilianischen Fachzeitschriften in 56 unabhängigen Laboren noch einmal durchgeführt – unter möglichst identischen Bedingungen.

Das Resultat:
Nur 15 bis 45 Prozent der Versuche konnten die ursprünglichen Ergebnisse bestätigen.
Mit anderen Worten: Bis zu 85 Prozent der Studien hielten einer Nachprüfung nicht stand.

Was bedeutet das?

Wenn wissenschaftliche Ergebnisse nicht reproduzierbar sind, stellt sich eine unangenehme Frage: Wie viele unserer angeblichen „Erkenntnisse“ sind tatsächlich wahr – und wie viele sind Zufall, Wunschdenken oder sogar Irreführung?

Die brasilianische Studie zeigt:

  • In Originalstudien wurden die Effekte oft massiv übertrieben dargestellt.
  • Gleichzeitig waren die gemessenen Daten auffällig „glatt“ und wenig variabel – ein Hinweis auf selektive Darstellung oder sogar Schönfärberei.

Kurz gesagt: Viele Forschungsergebnisse sind offenbar weniger robust, als uns die Hochglanz-Veröffentlichungen weismachen wollen.

Warum läuft so vieles schief?

Die Gründe sind alarmierend bekannt – und doch werden sie kaum behoben:

  • Karrieredruck: Wissenschaftler müssen ständig neue, „spektakuläre“ Ergebnisse liefern, um Fördergelder und Ansehen zu gewinnen. Negative oder unspektakuläre Resultate werden oft gar nicht erst veröffentlicht.
  • Mangelnde Transparenz: Viele Studien liefern keine vollständigen Details. Andere Forscher können die Experimente deshalb kaum exakt nachbauen.
  • Geldmangel: Besonders in Ländern wie Brasilien wurden Forschungsgelder gekürzt – zulasten der Qualität.
  • Systemfehler: Wissenschaft belohnt heute nicht die sorgfältigste, sondern die aufregendste Entdeckung.

Warum betrifft uns das alle?

Die Krise ist nicht auf Brasilien beschränkt. Der Reproduzierbarkeits-Notstand betrifft die gesamte Wissenschaft – von der Medikamentenentwicklung über Ernährungsempfehlungen bis hin zur psychologischen Forschung.

Wenn wir Behandlungen, politische Entscheidungen oder unsere eigene Gesundheit auf Studien gründen, die nicht belastbar sind, riskieren wir Fehlentscheidungen mit massiven Folgen.

Was müsste passieren?

  • Replikationsstudien fördern: Wiederholungen von Experimenten sollten gezielt unterstützt und finanziert werden – und nicht als langweilige „Arbeit zweiter Klasse“ gelten.
  • Vollständige Offenlegung: Alle Studiendaten und Methoden müssen transparent zugänglich sein.
  • Anreizsysteme ändern: Wissenschaftler sollten nicht für spektakuläre Ergebnisse, sondern für sorgfältige, überprüfbare Forschung belohnt werden.

Fazit:

Wissenschaft ohne Kontrolle ist keine Wissenschaft.
Solange wir nur das Neue, Aufregende und Sensationelle belohnen – und nicht die harte Überprüfung – werden wir weiter auf einem Fundament aus bröckelnden Versprechen bauen.

Nur wer unangenehme Wahrheiten akzeptiert, kann wirklich Fortschritt erzielen.
Die Brazilian Reproducibility Initiative ist ein Weckruf – für Brasilien, für Europa, für die Welt.