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Der Mythos der Masseninfektion

Die Zahl der Infektionen in München nimmt zu, und die Journalisten sind sich sicher, dass das Oktoberfest daran schuld ist – auch wenn die Fallzahlen völlig im Einklang mit dem allgemeinen regionalen Trend stehen.

Das erste Oktoberfest seit Beginn der Pandemie endet heute, und die Presse überschlägt sich, um die steigenden Infektionszahlen auf das viele Feiern und Treiben in den dicht gedrängten Zelten zurückzuführen:

Zwei Wochen nach dem Start des Oktoberfestes … sind die Corona-Zahlen in München wie befürchtet hoch: Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet für die Stadt München am Sonntag eine Zahl von 768,7 Fällen. …

Am Samstag meldete die Stadt München in den vergangenen sieben Tage 12.412 Corona-Fälle. Wie viele davon sich auf dem Oktoberfest oder in der näheren Umgebung angesteckt haben, ist nicht bekannt …

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kommentierte via Twitter die Häufung der Fälle in München während der Oktoberfestzeit: “Das wäre nicht nötig gewesen, wenn vor dem Einlass Selbsttests durchgeführt worden wären. Angesichts des Bierpreises hätten die zusätzlichen 2–3 € kaum eine Rolle gespielt”.

Die Münchner Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) geht davon aus, dass die tatsächlichen Infektionszahlen “vier- bis fünfmal höher” sind als gemeldet. Das liegt daran, dass in der RKI-Statistik nur die Infektionen als “Fälle” erfasst werden, die durch PCR bestätigt werden. Die Dunkelziffer sei hoch, so Zurek, weil nicht jeder, der Symptome hat, auch einen PCR-Test macht.

Der Anteil der Covid-19-Patienten auf den Münchner Intensivstationen ist jedoch nach wie vor gering – er liegt bei 7,28 Prozent, wie das DIVI-Intensivregister am Sonntag mitteilte … Demnach liegen derzeit 30 Menschen mit dem Virus auf der Intensivstation, am Freitag waren es noch 23. und ganze 384 der 422 Intensivbetten in München sind derzeit belegt.

In ganz Bayern lag die Inzidenz am Sonntag bei 692,5 und damit etwas höher als am Freitag (654,8). Auch hier werden die Zahlen aufgrund von Nachmeldungen der Gesundheitsämter erst Mitte nächster Woche aktuell sein.

Es gibt einen größeren und einen kleineren Punkt, der hier angesprochen werden sollte. Der kleinere ist, dass, wenn die Infektionen vier- bis fünfmal höher sind als angegeben (und sie sind sicherlich mindestens so viel höher), Corona wirklich ein kompletter Nichtsnutz geworden ist und wir alle es vergessen sollten. Das würde, ganz grob gesagt, eine Einweisungsrate auf die Intensivstation von höchstens 0,15 % und eine Sterblichkeitsrate bedeuten, die nur schwierig von Null zu unterscheiden ist. Omikron ist mit anderen Worten nur ein weiteres humaninfizierendes Coronavirus geworden, was ein Grund dafür sein könnte, dass es die Coronaviren zu ersetzen scheint:

Nach der Dominanz von Omikron in den ersten Wochen dieses Jahres verschwanden die gewöhnlichen humanen Coronaviren nach und nach aus den deutschen Grippestatistiken. Sie sind jetzt recht selten; SARS-CoV-2 scheint ihren Platz eingenommen zu haben. Quelle

Der springende Punkt ist, dass es in den Statistiken überhaupt keinen Hinweis auf einen Oktoberfest-Effekt gibt.

In München sind die Fallzahlen für Bayern insgesamt überdurchschnittlich hoch, für Oberbayern dagegen völlig normal. Etwas weiter südlich, auf der österreichischen Seite der Grenze, sind die Inzidenzen sogar noch höher. Dies ist ein saisonales und regionales Muster, das wir auch 2020 und 2021 beobachten konnten, als das Oktoberfest ausfiel.

Tatsächlich stehen die Beweise für Masseninfektionen in direktem Gegensatz zu all den lauten Vorhersagen, dass jeder letzte Feiertag, jedes Volksfest und jedes Rockkonzert die nächste Virus-Apokalypse einläuten wird. Kontaktuntersuchungen haben natürlich Beweise für gelegentliche Superinfektionen zutage gefördert, aber die von den Pandemieforschern prophezeiten Masseninfektionen scheinen nie wirklich stattzufinden, und es ist eine Schande, dass die moralische Gewissheit der letzten Jahre so viele Menschen für dieses interessante Phänomen blind gemacht hat. Denn es ist insofern interessant, als es darauf hindeutet, dass die Anzahl oder Häufigkeit unserer Kontakte einer der weniger wichtigen Faktoren für Infektionen mit Atemwegsviren ist und dass umweltbedingte und biologische Zwänge eine viel größere Rolle spielen als das persönliche Verhalten.