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Die Abgedroschenheit der Propaganda

Die Abgedroschenheit der Propaganda

Patrick Lawrence

Ich habe am Sonntag einen Videoclip von Isaac Herzog angeschaut, und der schießt wirklich den größten Vogel ab, denn es ist gleichzeitig einfältig und bösartig. Darin hält der israelische Präsident eine arabische Kopie von Mein Kampf in die Kamera.

Das Video wurde einen Tag nach der enormen Demonstration in London für einen Waffenstillstand in Gaza und für die Befreiung Palästinas aus der langen und gewaltsamen Unterdrückung durch Israel gedreht. Hier ein Teil von dem was Herzog sagte:

Ich will Ihnen etwas Exklusives zeigen. Dies ist Adolf Hitlers Buch Mein Kampf. Es ist das Buch, das zum Holocaust führte, und das Buch, das zum Zweiten Weltkrieg führte. Es ist das Buch, das … zum schlimmsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte führte, gegen das die Briten gekämpft haben.

Dieses Buch wurde erst vor wenigen Tagen im Norden Gazas gefunden, in einem Kinderzimmer, das in eine militärische Operationsbasis für Hamas verwandelt wurde, auf dem Körper eines Terroristen und Mörders der Hamas, und er hat sich sogar Notizen gemacht, er hat es markiert und immer wieder über Hitlers Ideologie der Tötung von Juden gelernt, über das Verbrennen von Juden und das Abschlachten von Juden.

Wir befinden uns in einem echten Krieg. Und auch alle, die gestern demonstriert haben – ich sage nicht, dass alle von denen Hitler unterstützen. Ich sage nur, wenn sie nicht verstehen, worum es in der Hamas-Ideologie geht, dann unterstützen sie im Grunde diese Ideologie.“

Man kann sich diesen Clip ansehen, oder eine längere BBC Version.

In beiden sehen wir das israelische Staatsoberhaupt, wie er die Holocaust-Karte spielt, die Hitler-Karte, die jüdische Opfer-Karte und die Hamas-als-mordende-verbrennende.schlachtende-Monster-Karte, alles auf einmal.

Ich kenne den TV-Sender der kürzeren Version von Herzog nicht, und ich bin erstaunt, dass die BBC es ernst genug nahm um es auszustrahlen, aber so ist die BBC-Tante heute – immer im Einsatz für die transatlantische Sache.

Wie erstaunlich unsolide Propaganda in den meisten Fällen doch ist, dachte ich, nachdem ich Herzog gesehen habe und mir Notizen dazu machte. Das trifft in sehr vielen Fällen in der Geschichte dieser schrecklich Kunst zu – bei Hitler, Mussolini, Japan und Amerika während des 2. Weltkriegs. Wenn man das heute betrachtet, dann ist nichts davon sehr anspruchsvoll, aus dem einfachen Grund, dass es das nicht sein muss.

Bei Propaganda geht es um die mächtige Wirkung, Subtilität kommt bei Propagandisten an letzter Stelle. Das Banale reicht schon. Die Japaner waren während des Pazifik-Kriegs die „Japs“ oder „Nips“, und in den vielen amerikanischen Propagandabildern hatten sie vorstehende Zähne, schmale Oberlippenbärtchen und runde Brillengläser vor ihren bösen asiatischen Augen.
Nachdem ich Herzogs Video gesehen hatte, suchte ich nach Aufnahmen von der London-Demo am Tag zuvor. Es gab seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten am 7. Oktober viele Demos gegen Israels brutale Militärkampagne in Gaza, und hoffentlich folgen noch viele weitere, aber die in London vergangenen Samstag scheint die bisher größte gewesen zu sein.
„Free Gaza“, „Ceasefire Now“, „Not in Our Name“ – das waren die Dinge, die gerufen wurden und auf Plakaten standen, als sich der Protestzug langsam durch die Innenstadt vom Hyde Park zur US-Botschaft einige Kilometer weiter schlängelte. Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstranten auf 300.000. Den Bildern nach zu urteilen würde ich eher eine halbe Million sagen.
Wenn man sich genug Propaganda ansieht, ob historische oder zeitgenössische, dann merkt man, dass es keine Rolle spielt, ob die Drehbücher und Bilder die Rohheit und Unwürdigkeit derjenigen verraten, die die Propaganda produzieren. Die Absicht ist einzig und allein, die Gedanken und Gefühle der unreflektierten Mehrheit zu erobern, wie auch immer das geschehen soll.

Die israelische Propagandaabteilung ist verzweifelt

Im Zeitalter der digitalen Medien und einer zunehmend einflussreichen unabhängigen Presse ist dieses Vorhaben jedoch schwieriger geworden. So scheint es mir. Die Menschen können jetzt mehr sehen, und sie sehen es klarer und unmittelbarer, sofern sie sich dafür entscheiden, hinzusehen. Und das tun immer mehr Menschen.

Wenn der idiotische Herzog-Clip uns irgendetwas zeigt, dann, dass die israelische Propagandaabteilung in einem verzweifelten Zustand ist, da sie den Krieg um die Öffentlichkeitsarbeit bereits verloren hat, während die israelischen Verteidigungsstreitkräfte ihr Loch jeden Tag tiefer graben.

Nachdem ich das Herzog-Video und dann die Aufnahmen aus London gesehen hatte, dachte ich an eine denkwürdige Passage in Hannah Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft:

„In einer sich ständig verändernden, unverständlichen Welt hatten die Massen den Punkt erreicht, an dem sie gleichzeitig alles und nichts glaubten, alles für möglich und nichts für wahr hielten. Die Massenpropaganda entdeckte, dass ihr Publikum jederzeit bereit war, das Schlimmste zu glauben, wie absurd es auch sein mochte, und dass es sich nicht sonderlich dagegen wehrte, getäuscht zu werden, weil es ohnehin jede Aussage für eine Lüge hielt.“

Arendt blickte zurück auf das (Dritte) Reich und die stalinistische Sowjetunion, als sie 1951 ihre berühmte Abhandlung schrieb. Aber der Gedanke scheint ihr danach nie mehr fern gewesen zu sein.

In einem Gespräch mit einem französischen Aktivisten, kurz vor ihrem Tod 1975, fand Arendt noch schonungslosere Worte, was unsere Umstände anbelangt. „Wenn dich ein jeder ständig anlügt“, sagte sie zu Roger Errera, „dann ist die Folge nicht, dass man die Lügen glaubt, sondern dass niemand mehr irgendetwas glaubt.“

Ein halbes Jahrhundert bevor Herzog sein Video machte und Demonstranten die Straßen Londons füllten, hat Arendt das letzte Wochenende perfekt beschrieben.

Es ist eine feine Sache, dass immer weniger Menschen sich von den PsyOps blenden lassen, und von den Propaganda-Blitzen des nationalen Sicherheitsstaates, der Konzernmedien und skrupellosen – ja, ich werde es sagen – Hitlerianischen Regimen wie Israel.

Aber in einer Welt zu leben, in der man nichts von dem glaubt, was gesagt wird, ist eine eigene Art von Elend. Es ist eine Kapitulation des öffentlichen Diskurses und des öffentlichen Raums vor dem Bösen, dem Unanständigen, dem Unmenschlichen, dem Verkommenen und Entwürdigenden. Die Wahrheit und damit auch logisches Denken und schlichter Anstand werden „alternativ“.

Gibt es einen Weg, über unsere entwürdigenden Umstände hinauszuwachsen? Oder müssen wir auf unbestimmte Zeit in einem Zustand der Negativität, der Ungläubigkeit und der Entfremdung von unserem eigenen Gemeinwesen verharren?

Meine Antwort auf die erste Frage lautet Ja, auf die zweite Nein: Es gibt immer einen Weg, eine andere Zukunft zu gestalten – das ist eine Frage des allgemeinen Prinzips. In diesem Fall muss das Projekt mit der Rückeroberung der Sprache beginnen. Die Ablehnung der offiziellen Sprache der Machthaber, wie es so viele Menschen heute tun, ist ein Anfang. Wir müssen dann wieder lernen, die Sprache zu sprechen, die nicht gesprochen wird, die Sprache, in der die Wahrheit liegt.

Nicht zuletzt aufgrund meines beruflichen Werdegangs bin ich besonders sensibel für die Macht der Sprache, ob sie nun für Klarheit und Verständnis oder für Verschleierung und Ignoranz eingesetzt wird.

Die Sprache der Institutionen, die Sprache der Macht, besteht aus verschleiernden Euphemismen – „globale Führung“, „Kollateralschäden“, „Regimewechsel“, „die Geheimdienstgemeinschaft“, „die regelbasierte Ordnung“ und so weiter durch das bürokratische Lexikon – und aus dreisten Fälschungen, wie sie uns Isaac Herzog am vergangenen Sonntag angeboten hat.

Orwell beschrieb in „Politics and the English Language„, wie die Sprache von Ideologen und bürokratischen Mandarinen unsere Fähigkeit, klar zu denken, zerstört – was genau ihr Zweck ist. Seit er seinen Aufsatz im April 1946 in Horizon veröffentlichte, hat sich das Problem, wie wir es kennen, um sieben Jahrzehnte verschlimmert.

Dieser Sprachgebrauch hat die Sprache selbst entwaffnet und sie ihrer Durchsetzungskraft beraubt, so dass Reden oder Schreiben außerhalb der Orthodoxie als Ort eines ernsthaften Diskurses abgetan werden können. Die Sprache ist als Medium des kreativen Denkens oder als Anregung zu neuen, phantasievollen Handlungen untauglich geworden.

Der absurde, beleidigende Gebrauch des Begriffs „Antisemitismus“, der uns jetzt heimsucht, ist ein typisches Beispiel dafür. Die offensichtliche Absicht besteht darin, ein weitgehendes Schweigen aufzuerlegen, um die Verbrechen der israelischen Apartheid zu verschleiern.

Die vor uns liegende Aufgabe ist die Restaurierung. Es gilt, die Sprache zurückzuerobern, ihr wieder Leben einzuhauchen, sie dem tötenden Einfluss der Institutionen, Bürokratien und der Konzernmedien zu entreißen – diese haben die Sprache zu einem Instrument zur Durchsetzung von Konformität deformiert. Darum ist jeder Ruf und jedes Plakat, das in London und vielen anderen Städten gehört und gesehen wurde, ein wichtiger und wertvoller Akt.

Klare Sprache ist ein Instrument – schnörkellos, einfach geschrieben und gesprochen, umgangssprachlich im besten Sinne dieses Wortes, aber durchaus fähig zu Subtilität und Komplexität. Es ist die Sprache der Geschichte, nicht des Mythos.

Diese Sprache wird nicht für die Sache des Imperiums, sondern immer für die Sache des Menschen gesprochen. „Freies Palästina“, „Vom Fluss zum Meer“: Dies sind Beispiele für die Sprache, die ich beschreibe, mit zwei und vier Wörtern.

Dies ist die Sprache, die notwendig ist, um der Macht entgegenzutreten, anstatt sich ihr anzupassen. Es ist eine Sprache, die den Nutzen von Intelligenz und kritischem Denken voraussetzt. Sie ist für das Aufwerfen vieler wertvoller Fragen gedacht. Sie ist vorbehaltlos der Erweiterung des Sagbaren gewidmet, als feindliche Antwort auf „das große Unsagbare“, wie ich es nenne.

Durch diese Sprache erwartet uns ein lebendigerer, erfüllender öffentlicher Diskurs. Mit Hilfe dieser Sprache können die Isaac Herzogs, Antony Blinkens und Ursula von der Leyens, die unseren öffentlichen Raum verschmutzen, auf das reduziert werden, was sie sind – Lügner und Propagandisten. Die Macht der Sprache, die ich beschreibe, wird der Sprache, die sie sprechen, jede Macht nehmen.

Lasst sie uns sprechen, lasst sie uns schreiben, lasst sie uns auf Wände und Plakate kritzeln. Lasst sie uns als das mächtigste Werkzeug erkennen, das denjenigen zur Verfügung steht, die sich dem Schweigen verweigern, das Isaac Herzog den Londonern am vergangenen Wochenende aufzwingen wollte.