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Rumäniens Innenminister, Cătălin Predoiu, am 9. Mai 2025. Damals noch in seiner Funktion als Interimspremierminister. Fotografie: Cristian Cristel | Xinhua

Die Sabotage der rumänischen Präsidentschaftswahlen ist nun Modell für die EU

Stefano di Lorenzo

Westliche Geheimdienste studieren die annullierten Wahlen

In mehreren europäischen Ländern prüfen die Behörden, wie es der rumänischen Regierung im vergangenen Jahr – mit Unterstützung der Europäischen Kommission – gelungen ist, den Sieg eines EU-kritischen Kandidaten zu annullieren und ob sie diesem Beispiel folgen können. Dies berichtet der französische Journalist Stéphane Luçon, Chefredakteur der rumänischen Ausgabe von Le Monde Diplomatique, unter Berufung auf Äußerungen des rumänischen Innenministers Cătălin Predoiu.

Im November des vergangenen Jahres kam es in Rumänien zu einer Sensation: Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewann der unabhängige Newcomer Călin Georgescu, ein Kritiker sowohl der EU als auch des Krieges in der Ukraine. Das sorgte in westlichen Regierungskreisen für einen Schock. Rumänien gilt als Schlüsselstaat in der NATO-Strategie gegenüber Russland.

Das rumänische Verfassungsgericht bestätigte zunächst das Ergebnis, zog seine Entscheidung aber wenige Tage später zurück. Georgescus Sieg sei auf „russische Einmischung“ zurückzuführen, insbesondere auf eine angeblich von Russland finanzierte TikTok-Kampagne. Die Behörden behaupteten, 25.000 TikTok-Accounts in Rumänien seien mit einem „ausländischen Staat“ verbunden. Belege blieben aus. Laut Luçon ist mittlerweile klar: Nicht Russland, sondern die Regierungspartei NLP (Nationale Liberale Partei) finanzierte heimlich die angebliche „russische Kampagne“ – um Georgescu in ein schlechtes Licht zu rücken.

Die Rolle der EU und der Venedig-Kommission

Die Sabotage der Wahlen erhielt stillschweigende Rückendeckung von der Europäischen Kommission. Während Brüssel Polen und Ungarn regelmäßig wegen „antidemokratischer Tendenzen“ kritisierte, sah man im Fall Rumäniens bewusst weg. Eine Erklärung der Kommission Monate nach der Wahl lautete lapidar: Man habe „keinen Kommentar“ zur Entscheidung des rumänischen Verfassungsgerichts vom 6. Dezember 2024, die erste Wahlrunde zu annullieren.

Die Venedig-Kommission des Europarats legte im Januar ein halbgares Gutachten vor. Zwar stellte sie klar, dass eine Wahlannullierung nur in „außergewöhnlichen Umständen“ erfolgen dürfe, zur Rechtmäßigkeit der Entscheidung äußerte sie sich jedoch nicht.

Predoius stolze „Beichte“

Neun Monate später werden die Folgen des rumänischen Präzedenzfalls sichtbar. Innenminister Cătălin Predoiu gab in einem Interview offen zu, dass westliche Geheimdienste das Vorgehen Rumäniens „studieren“. Besonders Tschechien habe den Fall genau verfolgt, so Predoiu. Er erklärte:

„Ich glaube, dass das, was letztes Jahr in Rumänien geschah, derzeit von allen Geheimdiensten in der westlichen Welt untersucht wird. Länder ziehen Schlussfolgerungen und ergreifen Maßnahmen, so wie Rumänien sich verteidigt hat. Am Ende haben die Institutionen den Staat verteidigt.“

Er erzählte zudem, sein tschechischer Amtskollege habe ihm gesagt: „Wir haben im Herbst Wahlen und verfolgen genau, was in deinem Land passiert ist.“

Predoius Worte, in denen er sich stolz zur Untergrabung der rumänischen Demokratie bekannte, erinnern an eine Äußerung von EU-Kommissar Thierry Breton, der im Januar im Hinblick auf die deutschen Wahlen gedroht hatte: „Wir können in Deutschland tun, was wir in Rumänien getan haben.“

Rumänien als Vorreiter beim Digital Services Act

Rumänien war 2024 bei der Umsetzung des Digital Services Act (DSA) der EU führend:

  • Ein Koordinator für digitale Dienste war bereits im Amt.
  • Die Nationale Audiovisuelle Behörde erhielt erweiterte Kompetenzen.
  • Ein Rapid Response Team zur Bekämpfung angeblicher Desinformation war einsatzbereit.
  • „Trusted Flaggers“ wurden zertifiziert, die illegale Inhalte melden durften.
  • Die NGO Expert Forum (EFOR) bekam sogar den Sonderstatus eines „Super-Flaggers“ – mit direktem Einfluss auf Content-Entscheidungen in sozialen Netzwerken.

EFOR wird u. a. finanziert von der US-amerikanischen NED, der US-Botschaft in Bukarest, der Europäischen Kommission und der niederländischen Botschaft.

Laut Luçon spielten die rumänischen Geheimdienste in diesem System eine Schlüsselrolle – ob durch direkte Absprachen mit Plattformen, verdeckte Steuerung von NGOs oder Infiltration von Moderationsteams. Das offiziell als „Schutz vor Extremismus“ deklarierte System sei in Wahrheit ein Instrument zur Filterung politischer Opposition.

Das Ende des Pluralismus

Für viele Rumänen war Georgescu eine Antwort auf die allgegenwärtige Korruption, das Misstrauen gegenüber der Justiz und die Abhängigkeit der Medien von Staatsaufträgen. Seine Absetzung war daher kein „Unfall“, sondern folgerichtige Konsequenz des Systems, so Luçon.

Georgescu wurde nach der Wahl wegen „Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung“ und „Förderung des Faschismus“ angeklagt – was ihn von einer erneuten Kandidatur ausschloss. Damit sei das „elektorale Pluralismus“ – sprich: die Demokratie – in Rumänien beendet.

„Was in Rumänien geschehen ist, unterscheidet sich nicht von einem autoritären Staat“, so Luçon.

Die Folgen reichen weit über Rumänien hinaus: Das Land könnte als Blaupause für die schleichende Abschaffung demokratischer Strukturen in ganz Europa dienen.