Professor David Betz, ein renommierter Experte für Kriegsstudien am King’s College London, hat in einem kürzlichen Interview alarmierende Prognosen über die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs in Europa innerhalb der nächsten fünf Jahre gestellt. Seine Analyse basiert auf jahrzehntelanger Forschung zu irregulären Konflikten und den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen im Westen. In diesem Artikel fassen wir seine wichtigsten Aussagen zusammen und beleuchten die Hintergründe, die zu seiner besorgniserregenden Einschätzung führen.
Die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs
Betz ist überzeugt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs in Europa hoch ist. „Sind wir auf einen Bürgerkrieg zusteuern? Ja, wahrscheinlich“, sagt er im Interview und fügt hinzu: „Es ist beängstigend, ja, das ist es.“ Basierend auf der Forschung der US-Wissenschaftlerin Barbara Walter, die in ihrem Buch How Civil Wars Start and How to Stop Them die Bedingungen für Bürgerkriege analysiert, schätzt Betz die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs in einem Land wie Großbritannien innerhalb von fünf Jahren auf etwa 18 Prozent. Diese Zahl ergibt sich aus einer jährlichen Wahrscheinlichkeit von 4 Prozent, die sich über die Jahre akkumuliert. „Die Zahlen sind nicht das Entscheidende, aber sie zeigen, dass es eine sehr signifikante Wahrscheinlichkeit gibt, dass dies innerhalb von fünf Jahren passiert“, erklärt Betz.
Ursachen: Zwei zentrale Konfliktlinien
Betz identifiziert zwei Hauptvektoren, die die Grundlage für einen möglichen Bürgerkrieg bilden. Der erste ist ein interethnischer Konflikt, der eng mit dem Thema Islamismus verknüpft ist. „Das ist eine Hälfte der Gleichung“, sagt Betz. „Es ist der Subtext des Kriegs gegen den Terror und hat die städtische Landschaft in den letzten 25 Jahren deutlich verändert.“ Der zweite Vektor ist ein Aufstand der Mehrheitsbevölkerung gegen eine als postnational wahrgenommene Elite. „Ich spreche von einem Bauernaufstand, nicht abwertend gemeint, sondern als Reaktion der Mehrheit, die das Gefühl hat, dass die Eliten die Spielregeln zu ihrem Nachteil verändern“, erklärt Betz. Diese beiden Kräfte interagieren und verstärken sich gegenseitig, was die Spannungen weiter anheizt.
Ein Beispiel für die Entfremdung zwischen Bevölkerung und Eliten ist die Politik der britischen Regierung, die laut Betz die Besorgnis vieler Bürger ignoriert. Er verweist auf das Anti-Terror-Programm Prevent, das Menschen, die glauben, dass die westliche Kultur durch andere Kulturen bedroht ist, als potenzielle Terroristen einstuft. „Das ist ein großartiges Beispiel dafür, dass die Regierung keine Ahnung hat, was die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ist – oder sie weiß es und versucht, sie zu unterdrücken“, sagt Betz.
Wie könnte ein Bürgerkrieg beginnen?
Betz glaubt, dass die ersten Anzeichen eines Bürgerkriegs bereits sichtbar sind. Er verweist auf Aktionen wie die der Blade Runners in London, eine Gruppe, die Kameras der Ultra-Low Emission Zone (ULEZ) zerstört. „Zwischen 1.500 und 2.000 Kameras wurden zerstört, oft am helllichten Tag, und es gab nur eine Verhaftung“, sagt Betz. „Das zeigt, wie gering die Fähigkeit des Staates ist, sich zu verteidigen, und wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung für solche Aktionen ist.“
Ein weiteres Beispiel sind gezielte Angriffe auf Infrastruktur, wie etwa Cyberangriffe vor den Olympischen Spielen in Paris oder das Feuer in einer Stromstation, das den Londoner Flughafen Heathrow lahmlegte. Diese Vorfälle sind Teil einer Taktik, die Betz als „Systemstörung“ bezeichnet. „Man greift die Infrastruktur an, um das System zu stören und politische Effekte zu erzielen“, erklärt er. Solche Aktionen erfordern nur wenige Personen, können aber massive Auswirkungen haben, insbesondere wenn sie sich häufen. „Stellen Sie sich vor, das passiert alle zwei Wochen: Stromausfälle, Gasnetzstörungen. Das kann eine Stadt wie London mit 10 Millionen Einwohnern schnell destabilisieren“, warnt Betz.
Wer sind die Konfliktparteien?
Viele könnten annehmen, dass ein Bürgerkrieg eine klare Trennung zwischen „extremem Islam“ und der „einheimischen Bevölkerung“ darstellen würde. Doch Betz betont, dass die Realität komplexer ist. „Es wird keine zwei Seiten geben“, sagt er. „Es wird viel komplizierter sein.“ Er spricht von einer „Balkanisierung“, bei der sich die Gesellschaft in mehrere Gruppen aufspaltet, und vergleicht die Situation mit dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren. „Unter Stress und Angst greifen Menschen auf einfache Merkmale zurück, um Gemeinschaft und Sicherheit zu finden“, erklärt er. Dies könnte schnell zu interethnischen Konflikten führen, bei denen kulturelle Unterschiede in den Hintergrund treten und ethnische Identitäten dominieren.
Kann ein Bürgerkrieg verhindert werden?
Betz ist pessimistisch, was die Vermeidung eines Bürgerkriegs angeht. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es keinen politischen Ausweg mehr gibt“, sagt er. „Liebe Eliten, die Konsequenzen eurer Handlungen sind da.“ Er glaubt, dass die Politik der letzten Jahrzehnte, insbesondere in Bezug auf unkontrollierte Massenmigration und die Ablehnung nationaler Identität, die Spannungen so weit verschärft hat, dass Gewalt fast unvermeidlich ist. „Alles, was die Regierung jetzt tut, könnte ein Problem lösen, aber ein anderes verschärfen“, sagt er.
Als Maßnahmen zur Schadensbegrenzung schlägt Betz vor, kulturelle Schätze zu schützen, sichere Zonen für die Zivilbevölkerung einzurichten und die Sicherheit nuklearer Einrichtungen zu gewährleisten. „Wir haben noch nie erlebt, dass eine Atommacht vollständig zusammenbricht“, warnt er. „Es wäre sinnvoll, jetzt Pläne zu machen, wie diese Ressourcen gesichert werden können.“
Mögliche Opferzahlen
Die potenziellen Opferzahlen eines Bürgerkriegs sind laut Betz erschreckend. „Wenn wir von der schlimmsten Phase des Nordirlandkonflikts ausgehen, scaled auf die Größe Großbritanniens, reden wir von etwa 23.000 Toten“, sagt er. Im schlimmsten Fall, vergleichbar mit Konflikten wie in Syrien, könnten es Hunderttausende sein. „Zwischen 23.000 und 500.000 ist eine plausible Spanne“, schätzt er und fügt hinzu: „Das ist eine große Spanne, aber selbst die untere Grenze ist schrecklich.“
Was tun im Ernstfall?
Auf die Frage, ob er Menschen raten würde, das Land zu verlassen, antwortet Betz: „Es gibt keinen offensichtlichen Ort, an den man gehen kann.“ Europa ist durch seine Vernetzung besonders anfällig, und ein Ausbruch in einem Land wie Irland, Frankreich oder Deutschland könnte sich schnell ausbreiten. „Wir haben die letzten 50 Jahre damit verbracht, ein grenzenloses Europa zu schaffen“, sagt er. „Das wird schwer einzudämmen sein.“ Er empfiehlt jedoch, große Städte zu meiden, da diese besonders anfällig für Unruhen sind.
Persönlich plant Betz, in Großbritannien zu bleiben. „Ich bin ein Immigrant in diesem Land, aber ich fühle mich verbunden“, sagt er. „Ich werde nicht weglaufen.“ Er sieht es als moralische Pflicht an, nicht passiv zu bleiben, während die Gesellschaft auseinanderbricht.
Fazit
Professor David Betz’ Analyse ist ein Weckruf. Die Kombination aus interethnischen Spannungen, dem Vertrauensverlust in die Eliten und der Schwächung nationaler Identität schafft laut ihm die perfekten Bedingungen für einen Bürgerkrieg. Seine Warnungen basieren auf fundierter Forschung und langjähriger Expertise, was sie umso beunruhigender macht. Während eine politische Lösung unwahrscheinlich erscheint, bleibt die Hoffnung, dass durch kluge Maßnahmen die schlimmsten Auswirkungen abgemildert werden können. Doch die Zeit drängt, und die Frage ist, ob die Gesellschaft rechtzeitig aufwachen wird, um das Schlimmste zu verhindern.