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Fast 8.000 Tote in Syrien binnen sechs Monaten – 75 Prozent davon Zivilisten: Bericht der Syrischen Beobachtungsstelle

Seit dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad und der Einsetzung einer neuen Übergangsregierung befindet sich Syrien erneut im freien Fall. Laut einem Bericht der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) vom 8. Juni wurden zwischen dem 8. Dezember 2024 und dem 6. Juni 2025 mindestens 7.670 Menschen getötet, darunter 5.784 Zivilisten, 306 Kinder und 422 Frauen. Die Organisation mit Sitz im Vereinigten Königreich spricht von einem „Muster organisierter Gewalt“ im ganzen Land und warnt vor einem Zusammenbruch der inneren Sicherheit.

Besonders erschütternd: Über 2.130 der Todesopfer wurden durch „außergerichtliche Hinrichtungen“ und „identitätsbezogene Tötungen“ ermordet – auf brutalste Weise, so die SOHR.

Massaker an Alawiten durch Regierungstruppen

Ein zentrales Ereignis dieser Eskalation war eine Reihe von Massakern, die im März 2025 an der syrischen Küste stattfanden. Laut SOHR wurden dabei 1.726 alawitische Zivilisten exekutiert, mutmaßlich durch Regierungstruppen der neuen syrischen Führung. Damaskus kündigte zwar eine Untersuchung an, doch bis heute gibt es keine Ergebnisse. Inoffizielle Quellen gehen von deutlich höheren Opferzahlen aus – möglicherweise im Bereich mehrerer Tausend.

Diese Massaker erfolgten als Reaktion auf einen Aufstand ehemaliger Regimetreuer innerhalb des Militärs gegen die neuen Sicherheitskräfte – was zu einer Eskalation von Racheakten führte.

Mehr als 1.800 getötete Kämpfer seit Machtwechsel

Laut SOHR wurden auch 1.886 nicht-zivile Kämpfer getötet, darunter 496 Angehörige des Verteidigungs- und Innenministeriums sowie 627 Kämpfer bewaffneter Gruppen, von denen viele mit der neuen Regierung in Damaskus zusammenarbeiten. Zusätzlich wurden über 250 Mitglieder der von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) getötet.

Dominanz radikaler Gruppen in der neuen Regierung

Besonders brisant ist die Rolle der neuen syrischen Armee, die laut SOHR von der Organisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS) dominiert wird – einem ehemaligen Al-Qaida-Ableger mit dokumentierten Kriegsverbrechen und einer stark sektiererischen, islamistischen Ideologie. Auch Gruppen wie Jaish al-Islam, berüchtigt für Menschenrechtsverletzungen, wurden in das neue Machtsystem integriert.

Die Gewalt gegen alawitische Zivilisten dauert an: Innerhalb der letzten fünf Tage wurden laut Beobachtern mindestens 18 weitere Alawiten gezielt ermordet.

Anhaltende israelische Besatzung und Bombardierungen

Parallel zum internen Zerfall steht Syrien weiter unter israelischer Besatzung in mehreren Regionen und leidet unter regelmäßigen Luftangriffen.

Rückkehr Syriens auf die internationale Bühne

Trotz des anhaltenden Blutvergießens bewegt sich Syrien diplomatisch aus seiner Isolation: USA, Großbritannien und EU arbeiten aktuell an der schrittweisen Aufhebung der Sanktionen, die seit 14 Jahren in Kraft sind.

Am 4. Juni kündigte EU-Kommissarin Dubravka Suica bei einem Besuch in Damaskus an, dass die Europäische Union nahezu 200 Millionen Dollar zur Verfügung stellen wird – für Wiederaufbau, Gesundheit, Landwirtschaft und Wirtschaftsbelebung.

Präsident mit Terrorvergangenheit trifft westliche Spitzenpolitiker

Ein weiterer kontroverser Aspekt: Ahmad al-Sharaa, der neue Präsident Syriens, ist kein Unbekannter. Unter dem Namen Abu Mohammad al-Julani war er früher Führer von Al-Qaida und ISIS in Syrien. Heute empfängt er westliche Spitzenpolitiker wie Emmanuel Macron und Donald Trump – eine kaum vorstellbare diplomatische Kehrtwende.

Fazit

Syrien erlebt eine neue Welle der Gewalt – nur unter anderem Vorzeichen. Die Hoffnung auf Stabilität nach Assad scheint einer Realität gewichen zu sein, in der alte Terrornetzwerke neue Uniformen tragen. Der Westen signalisiert Wiederannäherung, während das Land erneut in Blut versinkt. 75 Prozent der Todesopfer sind Zivilisten – ein klares Zeichen, wer den Preis dieser „Neuordnung“ zahlt.