Von Andrew Korybko
Die Lehren aus Trumps Jemen-Debakel könnten seine künftigen Entscheidungen im Ukraine-Konflikt entscheidend beeinflussen.
Fünf Journalisten der New York Times veröffentlichten diese Woche gemeinsam einen ausführlichen Bericht mit dem Titel: „Warum Trump plötzlich den Sieg über die Houthi-Miliz erklärte“. Der Artikel ist lesenswert – wenn man die Zeit hat, ihn komplett zu studieren. Der vorliegende Beitrag fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen und analysiert sie.
Zunächst schlug CENTCOM-Chef General Michael Kurilla eine acht- bis zehnmonatige Kampagne vor, um die Luftabwehr der Houthis zu schwächen, bevor gezielte Tötungen nach israelischem Vorbild eingeleitet werden sollten. Doch Trump entschied sich stattdessen für eine 30-tägige Operation – und das ist von Bedeutung.
Der oberste US-Militär in der Region wusste bereits, wie umfangreich die Luftverteidigung der Houthis war und wie lange es dauern würde, sie ernsthaft zu beschädigen. Das zeigt, dass das Pentagon den von den Houthis kontrollierten Nordjemen längst als regionale Macht betrachtete. Trump hingegen wollte einen langen Krieg unbedingt vermeiden. Kein Wunder also, dass es den USA innerhalb des ersten Monats nicht gelang, die Luftüberlegenheit zu erringen – sie verloren mehrere MQ-9-Reaper-Drohnen, und ein US-Flugzeugträger war dauerhaft bedroht.
Die rund 1 Milliarde Dollar an eingesetzter Munition in dieser kurzen Zeit verschärfte intern die Meinungsverschiedenheiten darüber, ob diese Bombenkampagne den wachsenden Preis überhaupt wert sei. Der neue Vorsitzende der Vereinigten Generalstabschefs, General John Caine, warnte davor, dass Ressourcen aus dem asiatisch-pazifischen Raum abgezogen würden – ein Bereich, der für Trumps Strategie der „Rückbesinnung auf Asien“ im Kampf gegen China oberste Priorität hatte. Dieser strategische Gesichtspunkt dürfte Trumps endgültige Entscheidung beeinflusst haben.
Oman bot Berichten zufolge die „perfekte Ausweichmöglichkeit“, indem es Trumps Gesandtem Steve Witkoff – der das Land im Rahmen der US-Iran-Nukleargespräche besuchte – vorschlug, die USA könnten ihre Luftangriffe einstellen, wenn die Houthis aufhörten, amerikanische Schiffe anzugreifen – nicht jedoch solche, die Israel unterstützten. Dies unterstreicht Omans diplomatische Schlüsselrolle in der Region – und zeigt gleichzeitig, dass die USA zwar erkannten, dass ihre Kampagne gescheitert war, aber keinen gesichtswahrenden Ausstieg fanden.
Zwei Optionen wurden in Betracht gezogen: die Bombardierungen noch einen Monat fortzusetzen, parallel eine Übung zur „Freiheit der Schifffahrt“ durchzuführen und den Rückzug zu erklären, sofern die Houthis nicht darauf reagierten – oder die Kampagne weiterzuführen und die Fähigkeiten der jemenitischen Verbündeten zu stärken, um eine neue Offensive im Norden zu ermöglichen. Beide Optionen wurden offenbar verworfen. Stattdessen erklärte Trump überraschend den „Sieg“, nachdem ein weiterer US-Kampfjet von einem Flugzeugträger abgestürzt war, ein US-Angriff Dutzende Migranten im Jemen getötet hatte und die Houthis den Flughafen Ben Gurion angegriffen hatten.
Aus dem NYT-Bericht lassen sich fünf zentrale Lehren ziehen:
- Nordjemen ist längst eine regionale Macht. Die Houthi-geführte Region hat diesen Status trotz jahrelanger Bombardierungen und Teilblockade durch die Golfkoalition erreicht. Das spricht für ihre Widerstandskraft und strategische Kompetenz. Zwar begünstigte die gebirgige Topografie ihren Erfolg, doch sie allein erklärt ihn nicht.
- Trumps 30-Tage-Bombardement war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Entweder wurde er nicht voll informiert – möglicherweise aus Angst der Militärs vor Entlassung –, oder er hatte selbst nie vor, langfristig zu intervenieren. Jedenfalls war es illusorisch, die Houthis in so kurzer Zeit zu bezwingen.
- Trump zieht sich zurück, wenn Risiken und Kosten steigen. Trotz seiner oft auf Optik bedachten Politik reagierte er rational auf steigende strategische Gefahren und wachsende Kosten. Das unterscheidet ihn von jenen, die stur verdoppeln, statt Kurs zu korrigieren. Es zeigt, dass er sich – zumindest theoretisch – auch aus der Ukraine zurückziehen könnte, sollte der Preis zu hoch werden.
- Trump ist offen für Vermittlung durch Drittstaaten. Der Fall Oman zeigt, dass die Regierung auf Vorschläge befreundeter Staaten zur Konfliktdeeskalation hört. Das könnte auch in der Ukraine eine Rolle spielen – insbesondere, da alle drei Golfstaaten, die Trump aktuell besucht, bereits als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine aktiv waren.
- China steht über allem. Das Ziel, China strategisch einzudämmen, war ein entscheidender Grund für Trumps Rückzug aus dem Jemen – um keine Munition zu verschwenden, die für Asien benötigt wird. Dieselbe Logik könnte ihn veranlassen, die Ukraine-Hilfe zu beenden, sollte sie die Asienstrategie gefährden.
Wenn man die Jemen-Lehren auf die Ukraine überträgt, ist denkbar, dass Trump im Falle eines Scheiterns der Friedensgespräche zunächst reflexhaft die militärische Unterstützung verstärken würde – um dann von Beratern und/oder Drittstaaten überzeugt zu werden, die Eskalation aufzugeben. Am klügsten wäre es für ihn, die Verluste jetzt zu begrenzen. Doch seine zunehmend emotionalen Äußerungen über Putin deuten darauf hin, dass er im Ernstfall überreagieren könnte – und Russland die Schuld gäbe.
Deshalb ist es jetzt entscheidend, dass friedensorientierte Staaten mit Einfluss auf die USA sofort diplomatische Auswege vorschlagen – kreative Lösungen, die Trump als gesichtswahrenden „Exit“ akzeptieren könnte. Andernfalls droht auch in der Ukraine ein Debakel – wie einst im Jemen. Doch noch ist es nicht zu spät, solange sich eine „perfekte Ausweichmöglichkeit“ bietet und Trump überzeugt werden kann, dass sie seinem „Pivot to Asia“ dient.