Forscher der Universität Oxford und der Chinesischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (CAMS) haben eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht:
Bestimmte Spike-spezifische T-Helferzellen (CD4⁺-T-Zellen) bleiben mehrere Jahre nach einer COVID-19-Infektion aktiv – und verändern im Laufe der Zeit ihre Funktion.
Die Studie erschien in Nature Communications (Oktober 2025).
Dauerhafte Immunzellen mit neuer Rolle
Unter der Leitung von Dr. Guihai Liu und Prof. Tao Dong untersuchte das Team Blutproben von COVID-19-Genesenen über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren.
Dabei zeigte sich, dass die ursprünglichen Spike-spezifischen CD4⁺-T-Zellen nicht nur fortbestanden, sondern eine auffällige funktionelle Verschiebung durchliefen:
Sie exprimierten verstärkt das Enzym Granzyme A (GZMA) – ein Molekül, das typischerweise in sogenannten „Killerzellen“ vorkommt und infizierte Zellen direkt zerstören kann.
Diese Anpassung könnte bedeuten, dass sich Teile der T-Helferzellpopulation im Laufe der Zeit in eine zytotoxische, virusbekämpfende Form umwandeln – eine Art zweite Verteidigungslinie des Immunsystems.
Gemeinsame Immunmuster und milde Verläufe
Besonders interessant war die Entdeckung sogenannter „öffentlicher“ T-Zell-Rezeptoren – also Rezeptorstrukturen, die bei mehreren, genetisch nicht verwandten Menschen vorkommen.
Diese wiederkehrenden Muster traten bei vielen Personen mit milderen Krankheitsverläufen auf.
Auch Jahre später blieben diese Immunfingerabdrücke erhalten, zeigten aber eine stärkere zytotoxische Prägung mit hoher GZMA-Aktivität.
Ob diese Entwicklung das Immunsystem stärkt oder langfristig beeinflusst, ist noch nicht abschließend geklärt.
Impfung als möglicher, aber nicht erwiesener Faktor
Die meisten Teilnehmer hatten in den Folgejahren eine oder mehrere COVID-19-Impfungen erhalten.
Die Forscher betonen ausdrücklich, dass sie nicht unterscheiden können, inwieweit die beobachteten Veränderungen durch die natürliche Infektion, durch Impfungen oder durch mehrfache Expositionen gegenüber dem Virus beeinflusst wurden.
Es fand sich keine direkte Korrelation zwischen der Anzahl der Impfdosen und der Ausbildung dieser zytotoxischen Immunmuster.
Die Autoren halten es jedoch für möglich, dass wiederholte Antigenkontakte – egal ob durch Infektion oder Impfung – zur funktionellen Umstellung des Immungedächtnisses beitragen könnten.
Sie warnen zugleich davor, hier voreilige Schlüsse zu ziehen, und fordern weitere Forschung, um die Ursachen und möglichen gesundheitlichen Auswirkungen besser zu verstehen.
Nutzen oder Risiko?
In Laborversuchen konnten die umgewandelten CD4⁺-T-Zellen die Virusvermehrung effektiv eindämmen, was auf eine schutzfördernde Rolle hindeutet.
Ob die langfristige Zunahme zytotoxischer Merkmale aber auch unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte – etwa in Bezug auf chronische Entzündungen oder Autoimmunität – bleibt bislang ungeklärt.
Die Forscher selbst äußern sich vorsichtig: Diese Zellen könnten ein wichtiger Bestandteil der langfristigen antiviralen Abwehr sein, ihre genaue Bedeutung für die menschliche Gesundheit müsse jedoch in zukünftigen Studien geklärt werden.
Fazit:
Die Studie liefert überzeugende Hinweise, dass das Spike-Protein eine langanhaltende Immunprägung hinterlässt – mit CD4⁺-T-Zellen, die noch Jahre später aktiv und funktionell verändert sind.
Doch was diese Anpassung auslöst und welche Konsequenzen sie langfristig hat, ist noch nicht bekannt.
Fest steht nur: Das Immunsystem vergisst SARS-CoV-2 nicht – und die Forschung steht erst am Anfang, die Folgen dieser Erinnerung zu verstehen.


