Im Gespräch mit „Overlap“ gibt der renommierte geopolitische Analyst Pepe Escobar einen schonungslosen Einblick in die aktuellen globalen Machtverschiebungen – vom zerfallenden Westen über die Ukraine, den Mittleren Osten, Russland und China bis hin zur wachsenden Gefahr eines Krieges um Taiwan.
Europa: Von Zivilisation zu Bürokratie
Escobar zeichnet ein düsteres Bild Europas: Die Europäische Union sei nie ein authentisches Projekt europäischer Einheit gewesen, sondern von Anfang an eine amerikanische Idee gewesen, geschaffen, um Europa unter US-Kontrolle zu halten.
Heute sei die EU eine bürokratische Struktur mit einer Handvoll Entscheidungsträgern – allen voran Ursula von der Leyen – während die Nationalstaaten wie Frankreich, Italien oder Spanien keinerlei echte Entscheidungsgewalt mehr hätten.
Die EU bestehe nur noch aus „Hass auf Russland“ (Russophobie), wobei Länder wie Polen oder die baltischen Staaten als treibende Kräfte dienen würden, ohne jede kulturelle oder zivilisatorische Tiefe.
Trump, Tarife und der Ausverkauf der NATO
Bezüglich der USA unter Trump betont Escobar, dass die Politik rein von Geldinteressen getrieben werde: Trump wolle die NATO-Verbündeten dazu zwingen, massiv höhere Verteidigungsausgaben zu tätigen, um amerikanische Waffen zu kaufen – obwohl diese in der Ukraine längst ihre Wirkungslosigkeit bewiesen hätten.
Auch die Waffenlieferungen im Roten Meer hätten versagt: Während westliche Medien schweigen, berichtete Escobar von seiner Reise in den Jemen, wo er firsthand amerikanische Bombenreste untersuchte, die gegen zivile Einrichtungen eingesetzt worden waren.
Er unterstreicht: Die Houthi-Bewegung im Jemen sei strategisch hochentwickelt und pflege geheime Kommunikationskanäle sowohl mit China als auch Russland.
Russland, China und Iran: Eine stille Allianz
Laut Escobar haben Russland und China ein strategisches Bündnis geschlossen, das nicht durch kurzfristige Deals gefährdet werden könne.
Insbesondere betont er die tiefe militärische Kooperation zwischen Russland und Iran, die im Fall eines Angriffs – etwa durch Israel oder die USA – aktiviert werden könnte. Russland habe Iran militärische Unterstützung auf höchster Ebene zugesagt, einschließlich Luftabwehrsystemen und möglicherweise Hyperschallwaffen.
Die Gefahr eines Krieges gegen Iran und China
Escobar warnt: Der „zionistische Block“ in den USA und Israel dränge auf einen Krieg gegen Iran und sehe China als existenzielle Bedrohung.
Dabei sei Trump 2.0 keineswegs frei von neokonservativem Einfluss – manche seiner Berater kämen direkt aus diesem Netzwerk. Ein Angriff auf Iran sei für das Pentagon kaum realistisch umsetzbar, dennoch dränge die politische Klasse auf Eskalation.
Hinsichtlich China sei die Lage besonders gefährlich: Die USA würden bewusst eine Eskalation um Taiwan provozieren – nicht, weil China aggressiv sei, sondern weil die USA China als ihren größten Rivalen betrachteten.
Eine „erzwungene militärische Antwort“ Pekings werde in Washington einkalkuliert, auch wenn Beijing weiter auf geduldige, friedliche Wiedervereinigung setze.
De-Dollarisierung: Die stille Revolution
Zum Thema Weltwirtschaft betont Escobar, dass die De-Dollarisierung nicht spektakulär, sondern schrittweise erfolge.
BRICS entwickle alternative Zahlungssysteme (wie das BRICS-Bridge-Modell auf Basis des chinesischen „mBridge“-Projekts), die es ermöglichten, internationalen Handel außerhalb des US-Dollars abzuwickeln.
China, Indien, Russland und andere BRICS-Staaten würden somit langsam, aber entschlossen die globale Finanzdominanz der USA untergraben.
Der Westen: Der Niedergang der Bildung und der Aufstieg der Postmoderne
Ein weiteres Thema war die geistige Erosion des Westens: Escobar beklagt den dramatischen Verfall der Bildung in Europa und den USA, besonders seit den 1960er Jahren.
Postmoderne Ideologien hätten die westliche Kultur vergiftet: Heute gebe es keine objektiven Maßstäbe mehr – jede Erzählung werde beliebig konstruiert, Realität werde zur Meinung.
Fazit: Multipolare Ordnung im Anmarsch
Pepe Escobar macht deutlich:
- Der Westen – insbesondere Europa und die USA – steuern aufgrund innerer Degeneration und außenpolitischer Arroganz auf den eigenen Untergang zu.
- China, Russland und Iran hingegen setzen auf Souveränität, kulturelle Kontinuität und strategische Partnerschaften, um eine neue multipolare Weltordnung aufzubauen.
- Die größte Gefahr sei, dass die USA im Angesicht ihres Abstiegs irrational handeln und mit False-Flag-Operationen einen globalen Großkonflikt auslösen könnten.
Pepe Escobars Appell ist klar: Nur durch echte Souveränität und kulturelle Verwurzelung können Länder der Versuchung widerstehen, sich als Vasallen der untergehenden westlichen Ordnung zu verkaufen.