Deutschland stehen düstere Zeiten bevor. Ein Insolvenzversteigerer mit 30 Jahren Berufserfahrung sagt klipp und klar: „Es ist schlimmer als während der Finanzkrise 2008.“
Laut einer aktuellen Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade wird Deutschland in den Jahren 2025 und sogar 2026 mit einem weiteren Anstieg von Großinsolvenzen konfrontiert sein – und das nach einem katastrophalen Jahr 2024 mit einer rekordverdächtigen Zahl an Unternehmenspleiten.
Für 2025 prognostiziert Allianz Trade einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 11 % auf rund 24.400 Fälle. 2026 sollen es nochmals 3 % mehr werden – insgesamt etwa 25.050 Insolvenzen. Durch diese Entwicklung sind schätzungsweise 210.000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet.
Allein im ersten Quartal dieses Jahres meldeten 16 große deutsche Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Millionen Euro Insolvenz an. Das sind zwar drei weniger als im gleichen Zeitraum 2024 – aber immer noch doppelt so viele wie im ersten Quartal 2023. Eine nachhaltige Entspannung ist laut Allianz nicht in Sicht.
„Angesichts der trüben Konjunkturaussichten und der globalen Unsicherheiten – etwa durch den zunehmenden Zollstreit – erwarten wir auch 2025 eine Welle an Großinsolvenzen mit erheblichen Folgeschäden“, warnt Maxime Bogaerts von Allianz Trade. Diese Insolvenzen könnten sich wie ein Dominoeffekt auf Zulieferer auswirken und dort massive Finanzlöcher reißen – mit weitreichenden Konsequenzen für ganze Lieferketten.
Wirtschaftlicher Alarmruf aus der Industrie
Im gesamten Land schrillen die Alarmglocken. Anfang April veröffentlichte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine gemeinsame Erklärung von über 100 Wirtschaftsverbänden, gerichtet an die damals noch verhandelnde Regierungskoalition aus CDU und SPD.
Darin heißt es unmissverständlich:
„Die wirtschaftliche Lage hat sich in den letzten Wochen dramatisch verschärft. Deutschland befindet sich in einer schweren Krise – und sie ist vor allem hausgemacht.“
Besonders unzufrieden zeigt sich der BDI mit der Steuerpolitik der neuen Regierung.
„Die Koalition bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig wäre“, sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des BDI. „Alle Spielräume zur Entlastung der Unternehmen müssen genutzt werden, damit wir steuerlich international wieder wettbewerbsfähig werden.“ Zwar enthalte der Koalitionsvertrag eine ambitionierte Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung – „aber wir werden die Regierung an der Umsetzung messen. Nur Worte reichen nicht.“
Besonders betroffene Branchen
Besonders schwer betroffen sind laut Allianz Trade:
- der textilbezogene Einzelhandel
- die Automobilzulieferindustrie
- das Gesundheitswesen
Allein im ersten Quartal 2025 meldeten drei deutsche Krankenhäuser, drei große Textilunternehmen, zwei Automobilzulieferer und zwei Chemiekonzerne Insolvenz an.
Im Jahr 2024 gab es insgesamt 87 Großinsolvenzen – ein Negativrekord und ein Anstieg um 36 % gegenüber dem Vorjahr. Der Gesamtumsatz der betroffenen Firmen betrug 17,4 Milliarden Euro, was einer Steigerung von 55 % im Vergleich zu 2023 entspricht
„Ich habe so etwas noch nie gesehen“
In einem Beitrag der Tagesschau kam auch Jürgen Philippi zu Wort – ein öffentlich bestellter Insolvenzversteigerer, der seit drei Jahrzehnten im Geschäft ist und regelmäßig für Insolvenzgerichte Gutachten erstellt.
Sein Fazit:
„Während der Finanzkrise 2008 war viel los. Aber das hier ist schlimmer. Es trifft immer mehr Branchen gleichzeitig. So etwas habe ich noch nie erlebt.“
Philippi ist inzwischen so ausgelastet, dass er Aufträge ablehnen muss. Und er beobachtet eine bedenkliche Entwicklung:
„Immer mehr Geschäftsführer wollen ihre kriselnden Firmen gar nicht mehr retten – obwohl es theoretisch noch Chancen gäbe. Ihre Begründung? Zu hohe Steuern, zu viel Bürokratie.“
„‚Das will ich nicht mehr.‘ – Das höre ich immer öfter“, so Philippi abschließend.