Unabhängige Analysen und Informationen zu Geopolitik, Wirtschaft, Gesundheit, Technologie

Uiguren: Was ist wirklich los in Xinjiang?

Was passiert in China in Xinjiang? Wie lässt sich die in Europa intensiv verbreitete Falsch­mel­dungs­pro­pa­ganda über diese Provinz erklären? Der Journalist MAXIME VIVAS, einer der wenigen, die diesen Ort wirk­lich besucht haben, veröf­fent­licht ein inves­ti­ga­tives Buch: «Ouïghours, pour en finir avec les fake news» («Uiguren – Schluss mit den Fake News»). Er hat «Initiative Communiste»1 ein Inter­view gewährt, das wir hier unseren Lesern in über­setzter Form zu Kennt­nis bringen.

Initiative Communiste: Wer muss sich nicht seit Monaten die schlimmsten Beschimpfungen gegen China anhören? Gehörst du zu den Leitartiklern, welche die Wortwahl der westlichen Staaten nachplappern, oder gehörst du zu den Journalisten, die mit eigenen Augen sehen wollten, was die Realität vor Ort ist? Konntest du denn nach Tibet, nach Xinjiang reisen?

Maxime Vivas: Ich war 2011 in Tibet mit einem grossartigen Reporter von Le Monde und einem grossartigen Reporter von Le Figaro. «Aufgeklärt» durch Journalisten, Autoren, verschiedene Intellektuelle, gelehrte Tibetologen, mussten wir erfahren, dass die tibetische Kultur, ihre Sprache, ihre Religion von den chinesischen Behörden, die sich auch des Völkermordes schuldig machten, ausgerottet worden sei. Aber wir sahen im Gegenteil die mit Mönchen und Anhängern überfüllten Tempel und Klöster, Gebete auf der Strasse, den von religiösen Schildern verschandelten Berg (was mich ärgerte), die tibetische Sprache, die für Strassenschilder, Zeitungen, Radio, Fernsehen, in Schulen (Unterricht auf Tibetisch bis zur Universität) verwendet wird. Wir besuchten eine Universität mit Zehntausenden von Büchern in tibetischer Sprache, wir besuchten tibetische Folklorevorführungen, wir sahen Mütter mit mehreren Kindern (die Ein-Kind-Politik war in Tibet wie bei allen andern Minderheiten nie in Kraft gewesen). Ich las Bücher, nicht von der chinesischen Regierung (das würde ja nicht geglaubt), sondern von Freunden des Dalai Lama (darunter die französische Forscherin Alexandra David