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Wie westliche Medien Drohnenvorfälle nutzen, um Feindbilder zu zementieren und daraus Massnahmen zu rechtfertigen

Drohnen-Alarm im Fokus: Medien als Verstärker in einer geopolitischen Inszenierung?

In der Kommunikationswissenschaft nennt man das „Securitization“ (Kopenhagener Schule): Ein Thema wird so gerahmt, dass es als existenzielle Bedrohung wahrgenommen wird. Dadurch können Regierungen außergewöhnliche Maßnahmen legitimieren (z. B. neue Abwehrsysteme, höhere Rüstungsausgaben, Einschränkungen von Freiheiten). Drohnen eignen sich hervorragend als „hybride Bedrohung“: Sie sind klein, schwer zu identifizieren, potenziell von Staaten oder „Terroristen“ einsetzbar, medienwirksam und in Konflikten (Ukraine, Syrien) prominent.

In den letzten Monaten haben Berichte über Drohnenüberflüge, angebliche Spionageflüge und Sperrungen von Flughäfen medial Konjunktur. In Deutschland und der Schweiz wird das Thema beinahe täglich neu aufgewärmt, als ginge eine Drohnen-Flut über Europa hinweg. Gleichzeitig mehren sich Stimmen, die hinter dieser medienöffentlichen Inszenierung strategische Absichten vermuten — etwa den Versuch, Russland als Bedrohung zu dämonisieren oder Sicherheitsängste zu mobilisieren.

Doch man darf nicht vergessen: Drohnen-Sichtungen und Zwischenfälle gab es schon vorher — lange bevor sie zum medialen „Hype“ wurden.

Historische Verwurzelung: Drohnen schon vor dem aktuellen Hype

Deutschland: Drohnentechnik & Zwischenfälle

  • Die Bundeswehr nutzt seit vielen Jahren militärische Drohnen für Aufklärung. So existiert das LUNA-Aufklärungsdrohnenprogramm seit etwa dem Jahr 2000. (de.wikipedia.org)
  • Die zivile Drohnen-Technologie war schon in den 2010er Jahren im Kommen, insbesondere im Modellflugbereich, Medieneinsatz, Fotografie, Überwachung etc.
  • In jüngerer Zeit berichten Medien von vielen Sichtungen über Chemieanlagen, Militärstandorten und in Flughafennähe — etwa über Ludwigshafen (BASF) oder über Ramstein.

Diese Beispiele belegen: Drohnenüberflüge sind kein neues Phänomen. Ihre Nutzung und Sichtungen sind bereits länger dokumentiert.

Schweiz: Militär, Gesetzgebung & zivile Nutzung

  • Die Schweiz verfügt über eine Drohnenstaffel 7, die seit den 1990er Jahren existiert (ursprünglich mit ADS 95, später Umrüstung auf ADS 15) – also eine institutionalisierte militärische Drohnenstruktur. (de.wikipedia.org)
  • Bereits in der Schweiz wurden mehrere Vorfälle mit Drohnen in urbanen Gebieten oder Veranstaltungen dokumentiert, z. B. in Zürich, bei denen gesetzliche Regelungen verschärft wurden, um Überflüge über Menschenansammlungen einzuschränken. (thebrokernews.ch)
  • In einem offiziellen Dokument wird anerkannt, dass häufige Drohnen-Vorfälle im Alltag auf Fahrlässigkeit zurückzuführen sind — also nicht unbedingt böswillige Aktionen. (newsd.admin.ch)

Diese historischen und institutionellen Anker zeigen: Die Schweiz ist kein Drohnen-Neuland. Das Phänomen ist bereits verankert.

Der mediale Wandel: Aus Sichtung wird Alarm, aus Drohne wird Bedrohung

Beobachtung: Mehr Berichte, schärferes Framing

Die Medien produzieren heute deutlich intensivere Narrative:

  • Drohnen-Sichtungen werden oft unmittelbar mit Behördenereignissen oder Sperrungen verknüpft — „Flughafen gesperrt“, „Betrieb eingestellt“, „geheimer Drohnenalarm“. So geschehen z. B. in München, wo der Flugbetrieb wegen Drohnenmeldungen gestoppt wurde. (tagesspiegel.de)
  • In Deutschland wird offen über Spekulationen berichtet, Russland könne hinter einigen Drohnen stehen. Solche Andeutungen werden oft in Nebensätzen oder Unterstellungen gebracht, aber sie wirken als Suggestion.
  • Der Fokus liegt häufig auf militärischen Anlagen, kritischen Infrastrukturen oder Flughäfen — Orte mit hoher Symbolkraft.
  • Medienberichte betonen meist die Dringlichkeit, fordern schnellere Gesetzesmaßnahmen, stärkeres Vorgehen gegen Drohnen, und suggerieren ein Versagen der Behörden.

Warum dieser Wandel?

  • Sensibilisierung: Die Technik hat sich rasant entwickelt. Drohnen sind nicht mehr marginales Spielzeug, sondern leistungsfähige Geräte mit Reichweite, Sensorik, Autonomie.
  • Kombination mit geopolitischen Erzählungen: In Zeiten von NATO-Russland-Konfrontationen lässt sich Drohnentechnik gut als Werkzeug hybrider Kriegsführung einbetten.
  • Interessen der Sicherheitsindustrie: Jedes wahrgenommene Risiko gaukelt einen Markt für Abwehrsysteme, Radar, Detektion, KI-Lösungen etc.
  • Massenmediation & Aufmerksamkeit: Sicherheits- und Alarmszenarien ziehen Publikum. „Angst verkauft“ ist eine alte medientheoretische Einsicht.
  • Politische Legitimation: Die Forderung nach neuen Kompetenzen für Abwehr, Drohnenabwehr, Abschussrechte etc. lässt sich durch mediale Bedrohungsrhetorik leichter durchsetzen.

Das Framing-Geflecht: Zwischen Sicherheit, Angst und Schuldzuweisung

Framing-Mechanismen, die wir beobachten

  • Kausalitätsverkürzung: Ein Drohnenflug → sofort Drohnenbedrohung → „Russland dahinter“ (ohne belastbaren Beleg)
  • Symbolische Orte: Flughäfen, Militärstützpunkte, Atom- oder Energieanlagen werden systematisch hervorgehoben
  • Verschiebung von Verantwortung: Behörden agieren nicht als Verteidiger, sondern als zu spät reagierende Opfer
  • Narrative Verstärkung: Wiederholte Berichterstattung multipliziert Wahrnehmung — ein Vorfall wird zur Serie
  • Vage Spekulationen: Begriffe wie „möglicherweise“, „verdächtigt“, „nicht ausgeschlossen“ fungieren als rhetorische Brücke zu Schuldzuweisungen

Hypothese: Warum gerade Russland?

  • In der aktuellen Sicherheitslage wird Russland in westlichen Narrativen oft als Aggressor bzw. Störfaktor dargestellt — das ist Teil des politischen Rahmens
  • Drohnen als Symbol für moderne Kriegsführung passen gut in Narrative hybrider Kriegsführung, in denen Russland als aggressiver Akteur gesehen wird
  • Medien, Think Tanks oder Sicherheitsinstitutionen im transatlantischen Umfeld haben ein Interesse daran, strategische Bedrohungen sichtbar zu machen

Risiken & Gefahren dieser medialen Dynamik

  • Überreaktion & Panik: Gesellschaft und Politik reagieren mit Angst, Überwachung und Einschränkungen
  • Fehlallokation von Ressourcen: Statt an realen Problemen kann man überreagieren und Ressourcen in fragwürdige Abwehrprojekte stecken
  • Legitimation autoritärer Maßnahmen: In Notfallrhetorik lassen sich Freiheitsbeschränkungen und Sonderrechte durchdrücken
  • Polarisierung & Feindbildbildung: Russland wird medial weiter dämonisiert, Feindbildbildung verschärft Konfliktlinien

Fazit & Forderungen

  1. Kritisches Lesen statt Schocküberschriften
    Jede Drohne ist kein Krieg. Medienkonsumenten sollten kritisch prüfen: Wann ist Spekulation, wann ist belegter Sachverhalt?
  2. Veröffentlichung von Primärdaten & Transparenz
    Behörden wie DFS, BAZL, Bundeswehr, FOCA sollten vollständige, nachvollziehbare Zwischenfalldaten veröffentlichen.
  3. Unabhängige Medienanalyse & Korrektiv
    Medienwissenschaftliche Untersuchungen sollten Framing, Quellenherkunft und politisches Umfeld analysieren — um Manipulationen aufzudecken.
  4. Verbindliche Normen für Drohnenabwehr & klare Regeln
    Statt hektischer Gesetze brauchen wir durchdachte rechtliche Rahmen, die Übermaß vermeiden und Verantwortlichkeit sichern.
  5. Wachsamkeit gegenüber geopolitischen Inszenierungen
    In Sicherheitsfragen ist Propaganda stets möglich. Es braucht Medien, Institutionen und Zivilgesellschaft, die sich dem entgegenstellen.