Von Bart, Berater bei Tenthpin
Im Jahr 2024 erreichte das chinesische Unternehmen BeiGene einen historischen Meilenstein: Es erhielt von der US-amerikanischen FDA die Zulassung für ein selbst entwickeltes Krebsmedikament – schneller als viele US-Konkurrenten. Dieser Durchbruch markiert den Höhepunkt eines jahrzehntelangen Wandels: vom Generika-Hersteller zum globalen Biotech-Innovator.
Doch was trieb diesen Aufstieg an? Ein perfekter Sturm aus gezielter Regierungspolitik, massiven Investitionen – und paradoxerweise den Zollkriegen unter Donald Trump. Während Trumps zweite Amtszeit nun noch härtere Zölle bringt, steht Chinas Biotech-Industrie zwar kurzfristig unter Druck, nutzt die Situation aber, um sich als autarke Kraft neu aufzustellen.
Vom Nachahmer zum globalen Innovator
Chinas Biotechnologie-Sektor hat sich radikal gewandelt. Regierungsinitiativen wie Made in China 2025 und Healthy China 2030 fokussieren gezielt auf Biopharma als strategisches Zukunftsfeld. Jährliche Investitionen von etwa 100 Milliarden US-Dollar, großzügige Subventionen und massives Risikokapital haben das Fundament gelegt.
Heute zählt China über 1.500 Biotech-Unternehmen. Branchenführer wie BeiGene und WuXi Biologics treten ernsthaft gegen westliche Pharmariesen an. Über 10.000 westlich ausgebildete chinesische Wissenschaftler – liebevoll „Meeresschildkröten“ genannt – haben ihr Wissen in Schlüsseltechnologien wie mRNA, CRISPR und CAR-T heimgebracht.
Auch die Risikokapitallandschaft boomt: 2024 flossen 15 Milliarden US-Dollar in chinesische Biotech-Startups, was inzwischen 22 % der weltweiten Biotech-Venture-Finanzierung entspricht – mehr als Europa. Reformen der chinesischen Zulassungsbehörde NMPA haben die Bearbeitungszeiten drastisch reduziert: Neue Medikamente werden nun in 1–2 Jahren zugelassen statt früher in 6–8 Jahren.
Trumps erste Amtszeit: Der unbeabsichtigte Katalysator
Trumps Zölle auf medizinische Geräte – 25 % auf Laborinstrumente – beschleunigten Chinas Lokalisierung der Produktion. Unternehmen wie BGI ersetzten US-Technologie durch eigene Produkte. Die COVID-19-Pandemie legte zudem die Schwächen westlicher Lieferketten offen und gab chinesischen Impfstoffen wie Sinovac weltweiten Auftrieb.
US-Sanktionen gegen Tech-Konzerne wie Huawei veranlassten China, massiv in eigene Innovationskapazitäten zu investieren. WuXi Biologics etwa steigerte seine Unabhängigkeit von US-Zulieferern und baute eine weltweite Kundenbasis auf.
Bis 2021 verfügte China über zehn von der FDA zugelassene Medikamente – ein gewaltiger Sprung gegenüber null im Jahr 2015.
Trumps zweite Amtszeit: Zölle als zweischneidiges Schwert
Die neue Zollrunde bringt kurzfristig Störungen: Geräte wie Illumina-Sequenzer sind in China nun 60 % teurer, und wichtige Forschungsmaterialien sind schwerer verfügbar. Gleichzeitig stärkt dies Chinas Entschlossenheit zur Unabhängigkeit.
Firmen wie BGI und MGI Tech bauen die inländische Produktion aus, WuXi will bis 2027 90 % der Bioreaktoren selbst herstellen. Chinesische Biosimilars unterbieten westliche Originale um bis zu 50 %. Strategische Allianzen etwa in Afrika und ASEAN-Staaten helfen, Handelsbarrieren zu umgehen.
Mit seinem 200-Milliarden-Dollar-„Biotech Moonshot“-Programm will China bis 2030 führend bei mRNA, KI-gestützter Medikamentenentwicklung und synthetischer Biologie werden.
Die neue globale pharmazeutische Ordnung
Chinas Aufstieg verändert die weltweite Pharmabranche grundlegend:
- Biosimilars aus China könnten laut McKinsey die globalen Medikamentenpreise um 20–30 % drücken.
- China dominiert künftig die Impfstoffproduktion: bis 2025 mit über 3 Milliarden exportierten Dosen.
- In der Genforschung zieht China durch freizügigere Regulierungen davon: Über 100 CRISPR-Studien laufen, doppelt so viele wie in den USA.
- KI-getriebene Medikamentenentwicklung verkürzt die Entwicklungszeiten bereits heute um 40 %.
Ein neuer „kalter Krieg“ der Biotechnologie zeichnet sich ab: Die USA verschärfen Exportkontrollen, während China – als weltgrößter Hersteller pharmazeutischer Wirkstoffe – neue Hebel gewinnt.
Zudem könnte Chinas Pharma-Offensive geopolitisch wirken: Afrika und Lateinamerika rücken zunehmend in Pekings Einflusszone.
Der Westen steht am Scheideweg
Trumps Zölle treiben China zur Unabhängigkeit – und die westliche Pharmaindustrie unter Handlungsdruck. Die USA und die EU könnten reagieren, indem sie:
- Investitionen in KI-getriebene F&E massiv erhöhen
- Zulassungsverfahren beschleunigen
- strategische Lieferketten diversifizieren
Die Zukunft der Biotechnologie wird zweisprachig sein – auf Englisch und auf Mandarin. Der Westen muss jetzt entscheiden: Entkopplung oder Innovation?
Quellen: CB Insights (2024), McKinsey (2023), Nature Biotechnology (2024), Bloomberg (2025)