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Deutschlands Ampel-Koalition blinkt grün für NATO-Feindschaft mit Russland
REUTERS/Annegret Hilse

Deutschlands Ampel-Koalition blinkt grün für NATO-Feindschaft mit Russland

Wenn es in Berlin eine neue Ampel gibt, dann zeigt sie keine Stopps für weitere Aggressionen der USA und der NATO in Europa.

Die neue deutsche Regierungskoalition unter der Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz ist erst seit einer Woche im Amt, aber schon jetzt deuten die Signale darauf hin, dass Berlin der US-geführten NATO-Feindschaft gegenüber Russland gegenüber aufgeschlossener ist.

Die “Ampelkoalition” (nach Parteifarben) besteht aus der von Scholz geführten Sozialdemokratischen Partei in Partnerschaft mit den Grünen und den wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten. Scholz hielt diese Woche im Bundestag eine Antrittsrede als neuer Bundeskanzler, nachdem er Angela Merkel (Christdemokraten) nach 16 Jahren an der Macht abgelöst hatte.

Nach Merkels Regierungszeit, die von Stabilität und ihrem dominanten persönlichen Stil geprägt war, werden alle Augen auf die neue Regierung in Berlin und ihre Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen gerichtet sein. Für den relativ unbekannten Scholz und seine Regierung könnten die Zeiten angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen dem US-geführten Militärbündnis NATO und der Europäischen Union einerseits und Russland andererseits kaum schwieriger werden.

Berlins neue Außenministerin Annalena Baerbock (die das Amt von Heiko Maas übernimmt) bringt eine lautstarke, kritische Haltung gegenüber Russland in ihr Amt ein. Baerbock, eine führende Abgeordnete der Grünen, kündigte diese Woche an, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland wegen der angeblichen russischen Aggression gegen die Ukraine auf Eis gelegt wird. Die Pipeline war bereits seit ihrer Fertigstellung im September durch ein industrielles Zertifizierungsverfahren aufgehalten worden. Doch nun hat Baerbock einen geopolitischen Faktor ins Spiel gebracht, um das Projekt zu stoppen. Vor ihrem Ministeramt war sie als scharfe Kritikerin von Nord Stream 2 bekannt. Sie lehnte das Projekt ab, weil sie provokativ behauptete, es erlaube Russland, “Europa zu erpressen”, und offenbar auch aus ökologischen Gründen. Ironischerweise wäre die Alternative zu russischen Gaslieferungen der Import von amerikanischem Schiefergas, das teurer und aufgrund seiner umweltschädlichen Fördermethode schmutziger ist. In ihren jüngsten Äußerungen zu Nord Stream 2 ähnelt die deutsche Außenministerin dem US-Außenminister Antony Blinken, indem sie die Zukunft des Projekts mit den Spannungen in der Ukraine und mutmaßlichen russischen Invasionsplänen in Verbindung bringt.

Baerbock ist auch eine langjährige Befürworterin der NATO-Osterweiterung und engerer transatlantischer Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika.

Genau diese Osterweiterung des Militärbündnisses hat in Moskau Befürchtungen ausgelöst, da der Block die nationale Sicherheit Russlands durch die Möglichkeit der fortgeschrittenen Positionierung von Atomraketen an den russischen Grenzen bedroht sieht. Der russische Präsident Wladimir Putin hat US-Präsident Joe Biden sowie seine britischen und französischen Amtskollegen aufgefordert, rechtliche Garantien zum Schutz der Sicherheit Russlands einzuführen. Zu diesen Garantien würde ein Verbot der weiteren NATO-Osterweiterung gehören, das auch den Beitritt der ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien vorsieht.

Mit Baerbock als deutscher Spitzendiplomatin ist es wahrscheinlich, dass die Bedenken Russlands zu kurz kommen werden. Als stärkste politische Kraft in der Europäischen Union wird eine härtere deutsche Politik auf die gesamte EU ausstrahlen und die Position russlandfeindlicher Mitglieder wie Polen und der baltischen Staaten stärken.

Was den neuen Kanzler betrifft, so war der 63-jährige Scholz früher Finanzminister in Merkels letzter Regierungskoalition. Diese Regierung unterstützte die Nord Stream 2-Partnerschaft mit Russland nachdrücklich. Unter Merkel wies Berlin die Einwände Washingtons gegen die Pipeline mit der Begründung zurück, dies sei eine souveräne Angelegenheit Deutschlands. Scholz selbst hatte sich in der Vergangenheit gegen eine amerikanische Einmischung in die deutsche Energiepolitik ausgesprochen. Die Regierung Biden schien die Unabhängigkeit Berlins in dieser Frage zu respektieren, indem sie auf die Androhung von Sanktionen gegen die beteiligten Unternehmen verzichtete. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, dass das Kanzleramt Baerbocks Außenministerium in Schach halten würde.

Die jüngste Eskalation der Spannungen in der Ukraine, die durch die Behauptungen Washingtons, Russland plane eine Invasion des Landes, angeheizt wurde, hat jedoch die Haltung Deutschlands gegenüber Moskau verhärtet, insbesondere in der Frage der Ausweitung der Wirtschaftssanktionen als “harte Konsequenzen” für die angebliche russische Aggression. Moskau hat die US-Behauptungen über Invasionspläne wiederholt zurückgewiesen, aber Deutschland und der Rest der EU haben sich beunruhigenderweise der Darstellung Washingtons angeschlossen und zweifelhafte amerikanische “Informationen” als bare Münze akzeptiert, was an die Massenvernichtungswaffen-Propaganda im Vorfeld des Irak-Krieges erinnert. Dieser Paradigmenwechsel deutet auf ein vorsätzliches, orchestriertes Ziel der USA hin. Die Europäer sind auf diese Art und Weise in die Falle getappt. Und endlich ist auch das Nord Stream 2-Projekt im Visier von Washingtons politischen Torpedos.

In seiner Rede vor dem Bundestag in dieser Woche forderte Scholz einen “konstruktiven Dialog” mit Russland, um “die Eskalationsspirale zu stoppen”. Er rief auch zu “gegenseitigem Verständnis” auf. Das mag nach einer aufgeklärten Politik des diplomatischen Engagements klingen. Doch dann schwor Scholz enttäuschend, Deutschland werde “mit unseren europäischen Partnern und transatlantischen Verbündeten mit einer Stimme sprechen”. Das bedeutet, dass sich Berlin fortan der Position Washingtons und Kiews beugt, wenn es darum geht, die Reaktion auf die akzeptierte Darstellung der “russischen Aggression” zu bestimmen.

Bei allen Unzulänglichkeiten Merkels – sie war keine radikale Kritikerin Washingtons – war sie doch zumindest in der Lage, zeitweise ein gewisses Maß an Unabhängigkeit walten zu lassen. Ihre unerschütterliche Unterstützung für Nord Stream 2 zum Beispiel, trotz amerikanischen Drucks. In jüngster Zeit wurde auch bekannt, dass Merkel Berichten zufolge die Lieferung von NATO-Waffen an die Ukraine blockiert hat, sehr zum Ärger des Kiewer Regimes.

Olaf Scholz wirkt, zumindest bisher, nicht wie eine starke Führungspersönlichkeit. Sein schwammiges Gerede über “eine gemeinsame Stimme” mit den USA und “Partnern” wie der Ukraine sowie seine Bereitschaft, falsche Behauptungen über russische Aggressionen zu akzeptieren, deuten darauf hin, dass die neue Berliner Regierung ein gefügiges Werkzeug für Washingtons Politik der Feindseligkeit gegenüber Russland sein wird.

Historisch gesehen ist es bedenklich, dass der erste deutsche Militäreinsatz im Ausland seit 1945 im Jahr 1999 unter einer rot-grünen Koalition stattfand. Damals beteiligte sich Deutschland an den NATO-Bombardements gegen Serbien. Diese Parteien sind erneut Koalitionspartner in einer für Europa entscheidenden Zeit.

Wenn es eine neue Ampel in Berlin gibt, dann zeigt sie keine Stopps für weitere Aggressionen der USA und der NATO in Europa.