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Die Ungewissheit über künftige Zölle lähmt weiterhin die Wirtschaft

Am 2. April erklärte Präsident Donald Trump den „Tag der Befreiung“ und kündigte eine neue Zollstrategie an. Sie sollte angeblich Handelsungleichgewichte korrigieren und amerikanische Arbeitskräfte sowie die Industrie schützen. Doch diese Maßnahme war die falsche Antwort auf eine falsch verstandene Diagnose. Die strukturellen Probleme der US-Wirtschaft liegen nicht im internationalen Handel, sondern in gesetzlich geschaffenen Anreizen für Finanzspekulation und in Fehlsteuerungen bei der Produktion lebensnotwendiger Güter. Zölle lösen dieses Problem nicht – sie verschärfen es sogar.

Trumps Zölle ignorierten die ökonomischen Realitäten. Das dahinterstehende Konzept beruhte auf einer fragwürdigen Theorie seiner Berater. Es war absehbar, dass die gesamte auf Zöllen basierende Strategie scheitern würde.

China und andere Länder reagierten mit eigenen Strafzöllen. Die Märkte zogen entsprechende Konsequenzen: Der Wert des US-Dollars fiel, ebenso wie die Kurse an den US-Aktienmärkten und bei US-Staatsanleihen.

Bereits am 9. April war Trump gezwungen, einen Rückzieher zu machen. Die Zölle für die meisten Länder wurden für 90 Tage ausgesetzt – nur gegenüber China wurden sie erhöht.

China wiederum reagierte umgehend. Drei Tage später kündigte Trump einen weiteren Rückzug an: Smartphones und Computer wurden von den zuvor eingeführten Zöllen wieder ausgenommen.

Während Spekulanten von der durch Trumps unberechenbare Zolltaktik geschaffenen Unsicherheit profitierten, wirkte diese Unsicherheit auf die Realwirtschaft wie ein lähmendes Gift. Es wurde rasch deutlich, dass die Zölle der US-Wirtschaft massiv schadeten.

Trump versuchte anschließend, China mit einem neuen Handelsabkommen unter Druck zu setzen. Doch Peking weigerte sich, in Verhandlungen einzutreten, solange die Zölle nicht auf das frühere Niveau zurückgeführt würden.

Dieses Zugeständnis erfolgte schließlich. Bei Gesprächen am Wochenende in Genf machten die USA erneut einen Rückzieher.

Die Redakteure des Wall Street Journal kommentierten:

„Selten wurde eine Wirtschaftspolitik so gründlich und so schnell zurückgewiesen wie Präsident Trumps Zölle am Tag der Befreiung – und zwar von Herrn Trump selbst. So hat er sich am Montagmorgen darauf geeinigt, seine Strafzölle gegen China zu reduzieren – sein zweiter großer Rückzieher in weniger als einer Woche. Dies ist ein Sieg für die wirtschaftliche Realität und für den amerikanischen Wohlstand.“

Sie fügen jedoch an:

„Sagen wir, ein Teilerfolg für die Realität. Die Regierung hat zugestimmt, den größten Teil der 145-prozentigen Zölle, die Trump am 2. April und danach auf chinesische Waren verhängt hatte, zu streichen. Was bleibt, ist sein neuer globaler Basiszoll von 10 Prozent – zusätzlich zu einer Sonderabgabe von 20 Prozent, die mit Chinas Rolle im Fentanylhandel begründet wird, also insgesamt 30 Prozent. Im Gegenzug senkt Peking seinen Vergeltungszoll von 125 auf 10 Prozent. Das Abkommen gilt vorläufig für 90 Tage, während die Verhandlungen weiterlaufen.“

Und genau darin liegt nach wie vor das grundlegende Problem.

Die Redakteure schließen:

„Der Zollsatz von 30 Prozent ist immer noch außergewöhnlich hoch für einen wichtigen Handelspartner, aber die 90-tägige Rücknahme bewahrt beide Seiten vor einem drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die US-Verbraucher sahen sich mit weit verbreiteten Engpässen konfrontiert, während China wachsende Arbeitslosigkeit befürchtete.“

An diesen Symptomen wird sich vorerst nichts ändern.

Es ist nicht nur der extrem hohe Zoll von 30 Prozent – insbesondere für Produkte mit sehr geringen Gewinnmargen – der die chinesischen Fabriken daran hindern wird, die Produktion wieder hochzufahren, und die US-Einzelhändler daran, ihre Regale aufzufüllen.

Das eigentliche Gift, das die Wirtschaft lähmt, ist die Unsicherheit, die aus der 90-Tage-Frist dieses Abkommens und dem Fehlen jeglicher verlässlicher Perspektive für die Zeit danach resultiert. Wer sollte etwa Schulartikel bestellen, wenn niemand weiß, wie hoch der Preis in drei Monaten sein wird?

Der Ökonom Paul Krugman stimmt dem zu:

„Der prohibitive Zoll wurde nicht aufgehoben, sondern lediglich ausgesetzt. Niemand weiß, was in 90 Tagen passieren wird. Ich habe schon lange argumentiert, dass die durch Trumps willkürliche, sich ständig ändernde Zollpolitik erzeugte Unsicherheit mindestens genauso schädlich ist wie die Zölle selbst. Und nun ist der Grad dieser Unsicherheit eher noch gestiegen.“

„Dieser Rückzug kommt vermutlich nicht rechtzeitig, um hohe Preise und leere Regale zu vermeiden. Selbst wenn die Frachtschiffe von Shanghai nach Los Angeles – die praktisch zum Stillstand gekommen waren – morgen wieder auslaufen würden, kämen die Waren nicht rechtzeitig an, um eine Erschöpfung der Lagerbestände zu verhindern.“

„Es ist zwar eine gute Nachricht, dass Trump noch rechtzeitig auf die Bremse getreten ist, bevor er die US-Wirtschaft vollends in den Abgrund geführt hätte. Doch wer glaubt, dass mit dieser Entscheidung die Vernunft in den politischen Prozess zurückgekehrt ist und die Zeit des Regierens per Laune vorbei sei, der wird bitter enttäuscht sein.“

Und genau dieser Einschätzung kann man sich nur anschließen.