Von Doug Casey
International Man:
Historisch endeten Finanzmärkte oft in euphorischen Blasen oder schmerzhaften Abstürzen. Glauben Sie, dass die heutige Situation Ähnlichkeiten mit früheren Epochen wie den späten 1920er-Jahren, den 1970ern oder der Dotcom-Blase hat?
Doug Casey:
Es gibt ein altes Sprichwort an der Börse: „Geld lässt die Stute laufen.“
Seit der Gründung der Federal Reserve – also des Schöpfers des Geldes selbst – neigen die Märkte dazu, sich viel extremer zu bewegen. Seit Generationen haben wir eine ganze Klasse sogenannter „Fed Watcher“, die versuchen, vorherzusehen, was die Bürokraten der Notenbank mit Zinssätzen, Bankreserven und Geldmengen machen werden, weil sie wissen, dass diese Dinge die Märkte direkt beeinflussen.
Je größer die Bedeutung der Fed geworden ist, desto extremer sind die Ausschläge an den Märkten. Man kann es sich vorstellen wie einen Fahrstuhl, der mit einem Irren am Steuer nach oben und unten rast – ein durchaus passendes Bild.
International Man:
Einige argumentieren, dass wir vor einem letzten euphorischen Anstieg – einem „Melt-up“ – stehen könnten, bevor es zum Zusammenbruch kommt. Was müsste geschehen, damit dieses Szenario eintritt?
Doug Casey:
Ein „Melt-up“ ist nicht unwahrscheinlich. Trump versucht aktiv, die Fed unter seine Kontrolle zu bringen, indem er ihre Gouverneure durch Ja-Sager ersetzt, die seine Sicht teilen. Mit anderen Worten: Er will Geld drucken und niedrige Zinsen erzwingen. Trump möchte, dass die Fed tut, was er sagt – trotz ihrer angeblichen Unabhängigkeit. Natürlich war diese Unabhängigkeit schon immer eine Fiktion. Wenn er es aber schafft, diese Fassade fallenzulassen, dann können wir uns auf eine wirklich wilde und verrückte Geldpolitik gefasst machen.
Die Wahrscheinlichkeit eines „Melt-ups“ ist hoch – trotz der extrem wackeligen Fundamentaldaten. Die Regierung hat im Grunde keine andere Wahl, als weiter zu drucken und die Zinsen niedrig zu halten. Tut sie das nicht, droht eine katastrophale deflationäre Implosion. Das will man um jeden Preis verhindern.
International Man:
Falls es zu einem „Melt-up“ kommt, erwarten Sie, dass er sich auf bestimmte Sektoren wie Technologie, KI oder Rohstoffe konzentriert oder sich über den gesamten Markt erstreckt?
Doug Casey:
Nach allen Maßstäben ist der Markt heute überbewerteter als jemals zuvor in der Geschichte. Wie man sich positioniert, hängt stark von der eigenen Psychologie, Erfahrung und Einschätzung der Geschichte ab. Momentan sind Bergbau- und Energiewerte extrem günstig.
Bergbauaktien sind besonders interessant. Sie befinden sich seit Jahresbeginn in einem stillen Bullenmarkt – ausgehend von sehr niedrigen Niveaus. Viele der kleinen, kaum bekannten Titel haben sich verdreifacht oder vervierfacht – völlig unbemerkt. Wer interessiert sich schon für Firmen mit Marktkapitalisierungen von ein paar Millionen Dollar? Selbst wenn sie sich verzehnfachen, bleiben sie „Small Caps“, zu klein für große institutionelle Anleger.
Einige der großen Minengesellschaften sind um 50 % gestiegen oder haben sich verdoppelt – und sind trotzdem noch historisch billig. Ich war immer ein Freund kleiner Minenaktien, aber jetzt stehen wir am Beginn eines gigantischen Bullenmarkts.
Auch Energiewerte werden derzeit vom Markt gehasst – und genau dort liegen Chancen. Viele dieser Unternehmen bieten Dividenden von 10 bis 15 %, je nach Sektor – Öl, Gas, Kohle oder Uran.
Die Tech-Werte dagegen sind in einer unvorstellbaren Hausse, die ewig zu dauern scheint. Doch es gibt ein weiteres altes Börsensprichwort: „High tech, big wreck.“ – Hightech bringt den großen Crash. Besonders dann, wenn sich die ganze Welt auf diesen Sektor stürzt. Diese Aktien sind, um einen typischen Trump-Ausdruck zu verwenden, „auf einem Niveau, das man nicht glauben kann – das es noch nie zuvor gab.“
International Man:
Und was sehen Sie als wichtigste Auslöser für einen möglichen Zusammenbruch? Schulden, geopolitische Risiken, Währungskrisen?
Doug Casey:
Sie haben gerade die Trifecta des nächsten Finanzpaniks genannt.
1. Schulden.
Sie entstehen direkt und indirekt über die Federal Reserve, vor allem durch das Mindestreserve-System der Geschäftsbanken. Ein solides Bankensystem würde mit 100 % Reserve arbeiten. Ein eingezahlter Dollar wird für 3 % Zinsen angelegt, für 6 % verliehen – Ende der Geschichte.
In der heutigen Welt kann Geld aber endlos neu geschaffen werden: Ein Dollar wird verliehen, wieder eingezahlt, als Reserve genutzt – und erzeugt neue Dollars ins Unendliche. Eine Kettenreaktion aus dem Nichts.
Dazu kommt die völlige Auflösung der Unterscheidung zwischen Sicht- und Termineinlagen.
Im Gegensatz zu 1929 gibt es heute enorme Mengen an Hypotheken-, Auto-, Kreditkarten- und Studentenschulden. Keine dieser Schuldenarten existierte in diesem Umfang damals. Häuser wurden mit fünfjährigen Krediten gekauft, Studentenloans gab es nicht, Autos wurden bar bezahlt, Kreditkarten gab es nicht.
Hinzu kommt die gigantische Staatsverschuldung – damals fast null. Schulden sind der Hauptauslöser für eine deflationäre Kreditkaskade. Wenn einer nicht zahlen kann, kann der nächste es auch nicht. Und schon fallen die Dominosteine.
2. Geopolitisches Risiko.
Der derzeit größte Auslöser sind Zölle. Der Welthandel – sowohl relativ als auch absolut – ist heute um ein Vielfaches größer als vor 1929. Damals machten die Smoot-Hawley-Zölle Importe für Amerikaner unbezahlbar. Europäer konnten uns nichts mehr verkaufen, also auch nichts mehr von uns kaufen – die Folge: Firmenpleiten und Massenarbeitslosigkeit. Das verschärfte die Deflation massiv. Heute wäre die Wirkung noch verheerender.
Natürlich gehört Krieg ebenfalls zum geopolitischen Risiko. Der Ukrainekrieg ist längst nicht vorbei. Europa rüstet idiotischerweise auf, als würde es einen großen Krieg mit Russland vorbereiten. Auch der Israel-Iran- und der Israel-Palästina-Konflikt sind nicht vorbei – und das wäre egal, wenn die USA Israel nicht wie einen 51. Bundesstaat behandeln würden.
Trump wiederum denkt laut darüber nach, Venezuela militärisch anzugreifen – ein weiteres Pulverfass. Das geopolitische Risiko ist heute extrem hoch.
3. Die Währung.
Der Dollar ist zum heißen Kartoffel geworden – unsicher, instabil und abwertend. Je weniger die Welt ihn benutzt, desto schneller verliert er an Wert. Der Dollar ist unsere größte Exportware – und gleichzeitig unsere größte Schwachstelle.
Irgendwann werden Billionen von Offshore-Dollars in die USA zurückfließen, um amerikanische Vermögenswerte aufzukaufen – ein massives politisches Problem. Das wird alles treffen – außer Gold, dessen Preis davon profitieren dürfte.
International Man:
Was sollte der durchschnittliche Anleger jetzt tun, um sich vorzubereiten?
Doug Casey:
Diese Frage verdient eigentlich ein Buch. Aber im Moment fällt mir besonders auf: Jeder und sein Hund ist im Aktienmarkt. Unglaublich, aber über ein Drittel aller gehandelten Aktien sind ETFs – börsengehandelte Fonds. Es gibt sie in allen Varianten, sogar mit Hebel auf einzelne Aktien.
Sie sind bequem, aber letztlich ein Trick der Wall Street, um jedes Jahr ein zusätzliches Prozent an Gebühren aus den Märkten zu ziehen. Ihre Existenz zeigt, wie überfinanziert und künstlich aufgebläht die US-Wirtschaft ist.

