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Erziehung zum Untertanen

Wie ein roter Faden zieht sich der politische Opportunismus durch die deutsche Geschichte.

„Der Untertan“ ist ein Roman des deutschen Autors Heinrich Mann. Verfasst zwischen 1906 und Mitte 1914, gelingt Mann das satirische Portrait eines autoritären Charakters. Sein Antiheld Diederich Heßling, eine fiktive Figur, ist ein ausgemachter Opportunist, der sich von Beginn seines erwachsenen Lebens an bis zum Ende des deutschen Kaiserreichs darin überbietet, stets das Beste für sich aus den Umständen herauszuholen — ohne jegliche Form von Rückgrat: Er ist ein innerlich unsicherer Mitläufer, feige, obrigkeitshörig und ohne Zivilcourage. Gegen die Schwachen ist er ein Tyrann, aber gleichzeitig ein Untertan, der sich freudig höheren politischen Gewalten wie Militär und Adeligen unterordnet. Heinrich Manns Roman weist als psychologische Studie weit über seine Zeit hinaus. Diese Erziehung zum Untertanen wurde in Deutschlands Familien und Schulen trotz ihrer fatalen Konsequenzen bis heute nicht öffentlich diskutiert, hinterfragt und aufgegeben. Somit haben wir unter Politikern wie Bürgern weiterhin unendlich viele Opportunisten und Jasager.

Der Untertan (1)

Als sensibles, furchtsames Kind wächst Diederich Heßling in einer deutschen Provinzstadt auf. Er genießt die träumerischen Stunden mit seiner ebenfalls zart besaiteten Mutter — verachtet sie aber gleichzeitig für ihre Schwäche. Von seinem Vater bezieht er wegen kleiner Betrügereien und Lügen regelmäßig Prügel. Den Schlägen zum Trotz bewundert er die väterliche Autorität. Anerkennung erfährt er nur ausnahmsweise: zum Beispiel bei der