Entsteht mit der per 13. September 2021 beschlossenen Ausdehnung der Covid-19-Zertifikatspflicht auf die Innenräume öffentlich zugänglicher Einrichtungen, ab 1. Oktober 2021 verbunden mit der Pflicht zur Selbstzahlung der für ein Zertifikat erforderlichen Tests, ein rechtlich fragwürdiger indirekter Impfzwang für die Bevölkerung ab 16 Jahren? Mutiert damit die bisherige 3G-Regel («geimpft, getestet, genesen») praktisch zur 2G-Regel («geimpft, genesen»)?
1. Einleitung
Am 8. September 2021 hat der Bundesrat per 13. September die Covid-19-Zertifikatspflicht ausgeweitet. Sie gilt neu für Personen ab 16 Jahren «im Innern von Restaurants, von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie an Veranstaltungen in Innenräumen». Die Begründung erzeugt einen Déjà-vu-Effekt: Die Lage in den Spitälern bleibe «angespannt», die Intensivstationen seien «sehr stark ausgelastet». Eine Überlastung der Spitäler im Herbst sei «nicht ausgeschlossen». Beklagt wurde die «nach wie vor» tiefe Impfgeschwindigkeit. Das Zertifikat könne «Schliessungen verhindern». An Veranstaltungen mit Zertifikatspflicht entfielen «zudem alle anderen Schutzmassnahmen, wie die Maskenpflicht». Die Massnahme sei «bis am 24. Januar 2022 befristet».1
Die Ausweitung der Zertifikatsplicht hat offensichtlich den – per se völlig nachvollziehbaren – Zweck der Steigerung der Impfrate in der Schweiz. Gelegentlich wird gar in ziemlich martialischer Weise als kurzfristiges Mittel der Wahl gegen einen «neuen Lockdown» ein «indirekter Impfzwang über das Covid-Zertifikat» gefordert.2 Die Sinnhaftigkeit der Impfung gegen Covid-19 als ein gegenwärtig zentrales Instrument zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wird hier keinesfalls in Frage gestellt. Zu umreissen ist jedoch im Folgenden anhand ausgewählter Aspekte, wie der aktuelle politisch gewollte «Druck auf Ungeimpfte» rechtlich einzuordnen ist.
2. Punktuelle Sachverhaltsaspekte
2.1. Nutzen der Ausweitung der Covid-19-Zertifikatspflicht
Anlässlich der Verkündung der Erweiterung der Zertifikatspflicht am 8. September 2021 blieb der Bundesrat (einmal mehr) Hinweise auf eine Begründungskette schuldig, inwiefern der epidemiologische Nutzen der bisherigen «Schliessungen» deren Kollateralschäden je überstiegen hat. Daran anknüpfend bleibt