Eine aktuelle Längsschnittstudie von Nádia Cristina Pinheiro Rodrigues und Mônica Kramer de Noronha Andrade, beide aus Rio de Janeiro, beleuchtet die Sterblichkeit nach COVID-Infektion in Brasilien im Zeitraum von 2020 bis 2023, mit einem Fokus auf Fällen des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS). Rodrigues ist an der Escola Nacional de Saúde Pública Sérgio Arouca/Fundação Oswaldo Cruz sowie der Universidade do Estado do Rio de Janeiro tätig, während Andrade an der Universidade Federal do Rio de Janeiro forscht. Die von der Fundação Oswaldo Cruz (FIOCRUZ) geförderte Studie untersucht mittel- und langfristige Mortalitätsrisiken nach der COVID-Impfung, unter Berücksichtigung demografischer, klinischer und impfspezifischer Faktoren. Während die Impfung kurzfristig mit einem geringeren Sterberisiko verbunden ist, zeigte die geimpfte Kohorte langfristig ein nahezu doppelt so hohes Mortalitätsrisiko.
Ziele der Studie
Die Forscher vermuteten, dass demografische Faktoren, Komorbiditäten und der Impfstatus das Sterberisiko nach der COVID-Impfung beeinflussen könnten. Ziel der Studie war es, die Wechselwirkungen dieser Variablen über die Zeit zu bewerten, wobei der Fokus auf der mittelfristigen Schutzwirkung der Impfung (3–12 Monate) und potenziellen langfristigen Risiken (über ein Jahr hinaus) lag.
Studiendesign und Methoden
Diese retrospektive Kohortenstudie analysierte SARS-Fälle, die als COVID-19 klassifiziert wurden, basierend auf der brasilianischen nationalen Datenbank „Sistema de Vigilância Epidemiológica (SIVEP)“. Die Kohorte umfasste 15.147 Personen, darunter 5.157 Todesfälle. Mittelfristige (3–12 Monate nach Symptombeginn) und langfristige Sterblichkeit (über ein Jahr) wurden getrennt betrachtet. Die Analyse erfolgte mithilfe klassischer Cox-Modelle, Modelle mit gemischten Effekten sowie Frailty-Cox-Modelle. Als Prädiktoren wurden Impfstatus, Anzahl der Dosen, demografische Faktoren, Komorbiditäten und regionale Ungleichheiten herangezogen.
Schlüsselergebnisse
In der mittelfristigen Betrachtung zeigte die Impfung eine Reduktion des Sterberisikos um 4–8 %, wobei bei zwei oder drei Impfdosen eine stärkere Verringerung (11–18 %) festgestellt wurde. Risikofaktoren wie Alter, männliches Geschlecht, geringe Bildung und Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes, Herzkrankheiten) waren signifikant. Regionale Unterschiede ergaben ein höheres Sterberisiko im Norden Brasiliens im Vergleich zum Südosten und Nordosten.
Langfristige Sterblichkeit
Langfristig stieg das Sterberisiko bei geimpften Personen an, insbesondere bei Personen mit ein oder zwei Impfdosen, wo sich das Risiko fast verdoppelte. Neben fortgeschrittenem Alter und Komorbiditäten erwiesen sich Lebererkrankungen als bedeutender Risikofaktor. Überlebenschancen waren in den Regionen Mittlerer Westen und Südosten besser, vermutlich bedingt durch sozioökonomische und gesundheitliche Unterschiede.
Einschränkungen und Verzerrungen
Die Studie unterliegt potenziellen Verzerrungen, wie einer Selektionsverzerrung, da ausschließlich schwere SARS-Fälle untersucht wurden. Dadurch bleiben mildere COVID-19-Fälle unberücksichtigt. Datenlücken – etwa zum genauen Impfstofftyp, Verabreichungszeitpunkt und Todesursachen – sowie der fehlende Zugang zu Meldesystemen für Impfstoffnebenwirkungen erschwerten die Analyse zusätzlich. Geografische und sozioökonomische Unterschiede könnten die Mortalitätstrends weiter verfälschen.
Annahmen und mögliche Probleme
Die Studie basiert auf der Annahme, dass Impfstatus und Impfdosierung einheitlich erfasst wurden und Überlebenskurven die Mortalitätsrisiken genau abbilden. Aspekte wie Zugang zur Gesundheitsversorgung, Post-COVID-Syndrome oder Fortschreiten chronischer Erkrankungen wurden jedoch nicht berücksichtigt.
Finanzierung und Danksagung
Die Studie wurde vom Graduiertenprogramm für öffentliche Gesundheit der FIOCRUZ finanziert. Luiz Antônio Camacho unterstützte methodisch, und FIOCRUZ trug zur Veröffentlichung bei. Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Schlussfolgerung
Die Studie hebt die komplexe Dynamik der Sterblichkeit nach COVID-Infektion hervor. Sie zeigt eine mittelfristige Schutzwirkung der Impfung, aber auch ein unerwartet erhöhtes Sterberisiko langfristig. Regionale und demografische Unterschiede betonen die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Weiterführende Untersuchungen sind erforderlich, um die zugrunde liegenden biologischen und sozialen Mechanismen zu verstehen, insbesondere in Bezug auf die langfristigen Risiken der Impfung. Die Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung einer kontinuierlichen Überwachung und einer verbesserten Datentransparenz.
Forschungsleiter:
Nádia Cristina Pinheiro Rodrigues – Escola Nacional de Saúde Pública Sérgio Arouca/Fundação Oswaldo Cruz, Rio de Janeiro, Brasilien
Mônica Kramer de Noronha Andrade – Universidade Federal do Rio de Janeiro, Brasilien