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„Re-Arm Europe Plan“ droht hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückzubleiben

Andrew Korybko

Die EU reagierte prompt auf Trumps Entscheidung, alle Militärhilfen für die Ukraine einzufrieren. Bereits am nächsten Tag stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den „Re-Arm Europe Plan“ vor. Dieser sieht vor:

  1. Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten um durchschnittlich 1,5 % über vier Jahre, was insgesamt 650 Milliarden Euro entspricht.
  2. Bereitstellung von 150 Milliarden Euro an Darlehen für Verteidigungsinvestitionen.
  3. Nutzung des EU-Haushalts als Hebel.
  4. Mobilisierung privaten Kapitals über zwei bestehende Institutionen.

Die geplanten 800 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben klingen beeindruckend – ihre tatsächliche Wirkung bleibt jedoch fraglich.

Fehlende Koordination und nationale Interessen als Hindernisse

Ein zentrales Problem ist das Fehlen eines Mechanismus zur fairen Verteilung der Verteidigungsinvestitionen zwischen den Mitgliedstaaten. Zudem könnte die geplante „Armee Europas“ an den Souveränitätsbedenken vieler Staaten scheitern.

Auch die NATO bietet hier keine Lösung, da sie von den USA dominiert wird – und viele Europäer den Amerikanern inzwischen misstrauen.

Selbst wenn ein Verteilungsmechanismus etabliert würde, stünden die nächsten Herausforderungen an: Der Ausbau der Produktionskapazitäten und der Einkauf von Ausrüstung im Ausland. Hier sollen die 150 Milliarden Euro an Krediten helfen, um Vorauskäufe zu tätigen. Allerdings könnte es zu einem harten Wettbewerb zwischen führenden Mitgliedstaaten wie Frankreich, Deutschland, Italien und Schweden kommen, die so viel wie möglich selbst produzieren und verkaufen wollen.

Gleichzeitig strebt Polen an, seine eigene Rüstungsproduktion auszubauen, insbesondere im Bereich Munition, um die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Dies würde den Konkurrenzdruck innerhalb der EU weiter verschärfen.

Externe Lieferanten und geopolitische Herausforderungen

Die USA und Südkorea gehören zu den wichtigsten Waffenlieferanten für die EU-Mitgliedstaaten. Allerdings müssen sie auch ihren eigenen Bedarf decken, insbesondere angesichts der zunehmenden Spannungen im asiatischen Raum. Das könnte dazu führen, dass europäische Staaten nicht alle ihre Rüstungsanforderungen erfüllen können.

Sollte es doch gelingen, müssen die EU-Staaten das „militärische Schengen“ ausweiten, um Truppen und Ausrüstung innerhalb der EU effizient bewegen zu können. Erste Schritte wurden bereits gemacht: Deutschland, die Niederlande und Polen haben vergangenes Jahr den Grundstein für diese Initiative gelegt, Frankreich hat Interesse signalisiert.

Dieses Konzept ist eng mit der geplanten „Europäischen Verteidigungslinie“ entlang der Grenzen der baltischen Staaten und Polens verbunden. Deren Bau könnte als Test für die Effizienz multilateraler EU-Verteidigungsprojekte dienen.

Polens entscheidende Rolle – oder das größte Hindernis?

Ein weiteres potenzielles Problem ist Polens Rolle in der europäischen Verteidigungsstrategie. Das Land verfügt mittlerweile über die drittgrößte Armee der NATO und gilt als wahrscheinlichste Ausgangsbasis für militärische Operationen gegen Russland – sei es durch einzelne EU-Staaten, durch „Koalitionen der Willigen“ oder eine mögliche „Armee Europas“.

Doch während ein EU-Militäreinsatz in der Ukraine denkbar wäre, ist eine direkte Intervention in Belarus unwahrscheinlich, da Russland hier eine Verteidigungsgarantie bietet.

Polen selbst hat sich bereits gegen eine Beteiligung an der „Armee Europas“ ausgesprochen. Zudem könnte Warschau vermeiden wollen, dass ein möglicher heißer Krieg zwischen der EU und Russland auf sein eigenes Territorium übergreift. Aus polnischer Sicht sind die USA der verlässlichste Sicherheitspartner, weshalb Warschau aktiv für die Verlegung von US-Truppen aus Deutschland nach Polen wirbt.

Fazit: Erfolg fraglich – besonders ohne Polens Unterstützung

Angesichts dieser fünf zentralen Herausforderungen wird der „Re-Arm Europe Plan“ voraussichtlich hinter den Erwartungen zurückbleiben – insbesondere, wenn Polen sich weigert, als strategische Drehscheibe für EU-Militäroperationen zu dienen.

Selbst wenn die EU die Verteidigungsausgaben erfolgreich verteilt, das „militärische Schengen“ umsetzt und die „europäische Verteidigungslinie“ realisiert, wäre der Plan ineffektiv, solange europäische Armeen in Polen nicht einsatzbereit sind und nicht ohne Warschaus Zustimmung in der Ukraine operieren können.

Da Polen immer stärker auf die USA setzt, könnte Washington den eigenen Einfluss nutzen, um europäische Staaten daran zu hindern, einen direkten Krieg mit Russland zu provozieren.

Letztendlich hängt der Erfolg des „Re-Arm Europe Plans“ maßgeblich von Polens strategischen Entscheidungen ab. Sollte sich Warschau stärker an die USA binden – besonders unter einer konservativen oder nationalistischen Regierung – könnte dies dazu führen, dass die EU-Pläne ins Leere laufen.