Am 9. Oktober 2025 diskutierte Professor Jeffrey Sachs in der Sendung „Judging Freedom“ mit Moderator Judge Andrew Napolitano die jüngsten Entwicklungen rund um einen möglichen Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas. Die Diskussion drehte sich um die Pläne, die von Donald Trump, Steve Witoff, Jared Kushner und Tony Blair unterstützt werden, sowie um die komplexe politische Lage im Nahen Osten. Sachs äußerte sich kritisch und beleuchtete die Hintergründe, die Dynamiken und die Aussichten für einen dauerhaften Frieden. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Punkte der Diskussion zusammen und analysiert die Bedeutung des potenziellen Waffenstillstands.
Der Waffenstillstand: Ein Hoffnungsschimmer?
Laut Sachs könnte der aktuelle Deal einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza ermöglichen, was er als „sehr gute Nachricht“ bezeichnet. Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der darauffolgenden israelischen Offensive am 8. Oktober 2023, die laut Sachs 67.000 Todesopfer forderte, könnte das Ende der Kämpfe eine dringend benötigte Erleichterung bringen. Er betonte die humanitäre Krise in Gaza, wo Hunderttausende Menschen, darunter viele Kinder, an Hunger leiden. Der Waffenstillstand beinhaltet den Austausch von Geiseln, die von Hamas und anderen Milizen in Gaza sowie von Israel festgehalten werden. Bis zu 2.000 palästinensische Gefangene könnten freigelassen werden.
Sachs sieht den Waffenstillstand als möglichen Wendepunkt, betont jedoch, dass der eigentliche Plan darüber hinausgehende politische Fragen nicht löst. Er bezeichnet die weiteren Elemente des sogenannten „Friedensplans“ als „Gewäsch“ („gobbledegook“), das weder vereinbart noch umsetzbar sei. Die Kernfrage bleibt für ihn, ob ein palästinensischer Staat entstehen wird, wie es die internationale Gemeinschaft seit Jahrzehnten fordert.
Die politische Lage: Israels Ablehnung eines palästinensischen Staates
Sachs unterstrich, dass Israel mit Unterstützung der USA seit Jahrzehnten die Schaffung eines palästinensischen Staates verhindert hat. Die internationale Gemeinschaft, vertreten durch die UN-Generalversammlung, hat wiederholt mit überwältigender Mehrheit (über 90 % der Stimmen) für einen palästinensischen Staat gestimmt, zuletzt vor wenigen Wochen. Dennoch bleibt die Umsetzung ausbleibend, da die USA und Israel diese Forderung ignorieren oder aktiv blockieren.
Er kritisiert die anhaltende Unterdrückung der palästinensischen Rechte durch Israel und die Versuche der USA, die arabische Welt durch Einschüchterung, Bestechung und politischen Druck zu kontrollieren. Sachs hofft, dass die arabische Welt nach einem Jahrhundert westlicher Einmischung – beginnend nach dem Ersten Weltkrieg – endlich „genug ist genug“ sagen wird. Er sieht globale Proteste, wie etwa in Amsterdam oder Italien, als Zeichen eines wachsenden internationalen Drucks, der Israel zur Beendigung seines „genozidalen Blutvergießens“ zwingen könnte.
Netanjahus Ziele und Hamas’ Rolle
Sachs sieht die Hamas nicht als zentrale Akteurin in diesem Konflikt. Er beschreibt sie als eine von mehreren militanten Gruppen, die gegen Israels Besatzung Palästinas kämpfen. Die Fixierung auf Hamas sei ein „Talisman“, den Israel nutze, um seinen „massiven Mordfeldzug“ zu rechtfertigen. Netanjahus erklärtes Ziel, die palästinensische Bevölkerung aus Gaza zu vertreiben, sei gescheitert, während Hamas überlebt habe – entgegen Netanjahus Versprechen. Sachs betont, dass Hamas in einem Szenario, in dem ein palästinensischer Staat gemäß internationalem Recht entstünde, keine zentrale Rolle spielen würde. Ihre Finanzierung und Bewaffnung hängen von externen Akteuren ab, die einen palästinensischen Staat unterstützen.
Jared Kushner und die Rolle der USA
Ein zentraler Kritikpunkt von Sachs ist die Beteiligung von Jared Kushner, den er als Immobilienentwickler beschreibt, der möglicherweise persönliche Interessen verfolgt. Er spricht von „offenbarer Korruption, Selbstbereicherung und Nepotismus“ im Umfeld von Donald Trump. Sachs sieht die USA als unzuverlässigen Akteur, der wiederholt internationale Vereinbarungen gebrochen hat. Dennoch betont er, dass der aktuelle Deal nicht auf Vertrauen in Netanjahu oder die USA basiert, sondern auf der Beteiligung anderer Länder wie Ägypten, Türkei, Katar, Saudi-Arabien und Pakistan. Diese Länder könnten dafür sorgen, dass der Waffenstillstand hält, auch wenn keine vollständige Entwaffnung der Hamas stattfindet.
Israelische Gesellschaft und internationale Reaktionen
Sachs äußert sich besorgt über die israelische Gesellschaft, die er als „verrückt“ und von „Blutdurst“ geprägt beschreibt. Er sieht keine Anzeichen dafür, dass Israel die Verantwortung für den „Genozid“ in Gaza übernimmt. Die öffentliche Debatte in Israel konzentriere sich ausschließlich auf die verbleibenden israelischen Geiseln (ca. 20), während die über 2.000 palästinensischen Gefangenen ignoriert würden. Diese Ignoranz und die Unterstützung des Krieges durch weite Teile der Bevölkerung hätten Israel zu einer „verachteten Nation“ gemacht.
International wachse jedoch der Druck. Demonstrationen in Europa und weltweite Proteste zeigen, dass die Geduld der Welt mit Israels Handlungen erschöpft ist. Sachs sieht darin eine Chance für Veränderungen, die nicht von den USA oder Israel, sondern von der globalen Gemeinschaft ausgehen könnten.
Die „50-zu-1-Formel“ und Israels Kalkül
Ein besonders erschütternder Punkt in Sachs’ Analyse ist die sogenannte „50-zu-1-Formel“. Ein ehemaliger Chef des israelischen Militärgeheimdienstes soll erklärt haben, dass für jeden getöteten Israeli 50 Palästinenser sterben sollten. Mit etwa 1.200 bis 1.300 israelischen Todesopfern am 7. Oktober 2023 entspricht die Zahl von 67.000 getöteten Palästinensern in etwa diesem Verhältnis. Sachs spricht von einer „primitiven Mentalität“, die an biblische Zeiten erinnere, und vermutet, dass Israel möglicherweise sein „Ziel“ erreicht sieht und deshalb bereit ist, die Kämpfe zu beenden.
Aussichten für den Waffenstillstand
Sachs betont, dass der Waffenstillstand keine umfassende Friedenslösung ist. Der sogenannte „20-Punkte-Plan“ sei weder vereinbart noch realistisch. Ein echter Frieden erfordere die Schaffung eines palästinensischen Staates entlang der Grenzen vom 4. Juni 1967, wie es das Völkerrecht und die internationale Gemeinschaft fordern. Die USA müssten ihre Politik ändern und den Einfluss der „zionistischen Lobby“ überwinden, um dies zu ermöglichen.
Eine Umfrage in der Sendung ergab, dass 82 % der Zuschauer nicht glauben, dass der Plan Bestand hat, 12 % sind unentschieden und nur 6 % sind optimistisch. Sachs stimmt zu, dass es kein echter Friedensplan ist, hält aber eine vorübergehende Unterbrechung der Kämpfe für möglich.
Fazit
Professor Jeffrey Sachs bietet eine nüchterne und kritische Analyse des potenziellen Waffenstillstands zwischen Israel und Hamas. Er sieht darin eine Chance, das Blutvergießen zu stoppen, warnt jedoch vor übertriebenen Erwartungen an einen umfassenden Frieden. Die Kernfrage bleibt die Schaffung eines palästinensischen Staates, die von Israel und den USA seit Jahrzehnten blockiert wird. Sachs’ scharfe Kritik an Israels „genozidalem“ Vorgehen, der Korruption im Umfeld von Trump und der Komplizenschaft der USA unterstreicht die Dringlichkeit internationalen Drucks. Der Waffenstillstand könnte ein erster Schritt sein, doch der Weg zu einem gerechten Frieden bleibt lang und von politischen Hürden geprägt.


