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Warum sich Frankreichs Soldaten gegen Macron in Stellung bringen
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Warum sich Frankreichs Soldaten gegen Macron in Stellung bringen

Den letzten Sonntag verbrachte Emmanuel Macron in Straßburg, wo er auf einer Konferenz über die Zukunft Europas sprach. Hier ist der französische Präsident am glücklichsten, wenn er die Utopie beschreiben kann, die eine fertig gebaute EU einmal darstellen soll, und an die er noch immer glaubt. Dort fühlt er sich wichtig und mächtig und befindet sich unter Gleichgesinnten wie etwa David Sassoli, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der erklärte: „Diese Konferenz ist für normale Bürger. Weder ist Europa für die Eliten, noch gehört sie ihnen.“

In Macrons unterwürfiger Hingabe zur EU schwingt ein Hauch von Tony Blair mit, wobei es kaum eine Überraschung wäre, sollte der französische Präsident das schaffen, was dem ehemaligen britischen Premierminister verwehrt blieb und er eines Tages Präsident der EU wird.

Für Macron würde das Leben in Brüssel sicherlich einfacher werden, als es momentan in Paris ist. Kaum war die Konferenz am Sonntag beendet, machte die Veröffentlichung eines weiteren offenen Briefes an Macron durch das französische Militär die Runde. Vor zwei Wochen veröffentlichte das konservative Magazin Valeurs Actuelles einen Brief von hunderten pensionierten Soldaten, die den Präsidenten davor warnten, dass sein Land gerade den Bach runtergeht; gestern Abend folgten ihnen mehr als 2.000 dienende Soldaten, die ihre Bestürzung über den Ruin Frankreichs ausdrückten, wie sie es formulierten.

Die Politik redet, die Vorstädte brennen

Die neuerlichen Worte aus dem Militär werden einen Schauer durch die Korridore des Elysee Palast schicken. Jean-Luc Melenchon, der Chef der linksradikalen Partei France Insoumise, brachte schnell seine Empörung zum Ausdruck und versprach, dass sollte er an die Macht kommen, dann würde er das Militär von diesen Aufrührern „säubern“.

Marine Le Pen auf der anderen Seite bot den Militärs am Sonntagabend in einem Fernsehinterview ihren „Respekt“ an und erklärte ihnen ihr „Vertrauen“ indem sie sagte, dass das „Problem mit Macron darin bestehe, dass die Unsicherheit jetzt überall sei“.

Selbst Macrons treuester Unterstützer würden Le Pen in diesem Punkt wohl kaum widersprechen können. Allein in der letzten Woche wurde in Avignon ein Polizist von einem mutmaßlichen Drogenhändler erschossen, in Lyon und in Frejus an der Cote d’Azur gab es Unruhen, und im 19. Pariser Arrondissement lieferten sich rivalisierende Drogenbanden in der Nacht zum Montag einen Scharmützel mit selbstgebauten Feuerwerkskörpern. Anwohner verbreiteten Aufnahmen der Explosion in den sozialen Medien hoch (siehe das eingebettete Video) und warfen Macron und der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor, die Gegend den Drogenbanden zu überlassen. „Sie müssen handeln, und zwar schnell“, forderten sie.

Aufgeweckt durch Einsätze in Banlieues

Die Aufforderung zum Handeln wurde auch im jüngsten Brief der Soldaten an Macron transportiert. Insbesondere die Tatsache, dass es sich bei den Erstunterzeichnern des neuen Briefs um Soldaten handelt, die vermeintlich im aktiven Dienst sind, wird die Regierung alarmieren. Sie beschreiben darin ihren Dienst für Frankreich in Mali, Afghanistan und an anderen Orten, wo einige miterleben mussten, wie Kameraden bei Kampfhandlungen gefallen sind. Sie erheben eine schwere Anklage gegen ihren Präsidenten: „Sie haben ihre Leben geopfert, um jenen Islamismus zu zerstören, dem Sie auf unserem Boden Zugeständnisse gemacht haben.“

Viele der Unterzeichner haben an der Operation Sentinel teilgenommen, in deren Rahmen infolge des Anschlags auf Charlie Hebdo im Januar 2015 Truppen in Paris stationiert wurden. Dort haben sie „mit eigenen Augen die verlassenen Banlieues gesehen… wo Frankreich nichts anderes bedeutet als ein Objekt für Sarkasmus, für Verachtung oder sogar für Hass.“

Wie auch der erste Brief warnt dieser ebenso in eindringlicher Weise davor, dass Frankreich von einem Konflikt zerrissen werden könnte. „Sollte ein Bürgerkrieg ausbrechen, dann wird das Militär die Ordnung auf dem eigenem Territorium aufrechterhalten… In Frankreich braut sich ein Bürgerkrieg zusammen, und Sie wissen das ganz genau“, schreiben sie.

Handeln und nicht Emotionen auf Knopfdruck abspielen

Der Brief schließt mit der Forderung, dass Macron und seine Regierung endlich aktiv werden sollen, anstatt weiterhin nur Politik zu spielen, oder sich in symbolischen „Emotionen auf Knopfdruck“ zu ergehen: „Es geht nicht darum, eine Wahl oder Wiederwahl zu sichern. Es geht um das Überleben unseres Landes, Ihres Landes..“

Macron hat diese gewaltige Herausforderung von seinen Vorgängern geerbt, die trotz wiederholter Warnungen jahrzehntelang die Augen vor den „verlorenen Gebieten“ der Innenstädte verschlossen hatten. Inzwischen aber hat sich die Gewalt dank Sozialer Medien und linker Identitätspolitik gefährlich ausgebreitet, während sich der Hass tief eingefressen hat. Macron hat zwar mehr als alle seine präsidialen Vorgänger gegen den Extremismus unternommen, doch es ist noch lange nicht genug.

„Kann die Armee Frankreich retten?“ titelte Valeurs Actuelles in dieser Woche. Eine wachsende Zahl in Frankreich glaubt, dass Macron Frankreich nicht retten kann und setzen ihre letzte Hoffnung auf das Militär.