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Was Präsidenten sagen, ist nicht wichtig. Es kommt auf die Umsetzung der Politik an – warum werden von Joe Bidens Ankündigungen so wenig in die Tat umgesetzt wird?

In den vergangenen Tagen, am 28. und 29. Juli 2022, bestätigten drei Autoren die allbekannte Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (POTUS) nur eine Sprechpuppe ist — ohne jede Macht, die Versprechungen zu erfüllen, die er ausländischen Regierungschefs bei verschiedenen Gelegenheiten gibt. Die Gefahren, die von diesem Zustand ausgehen, sind enorm, werden aber selten thematisiert.

So schreibt beispielsweise Andrew Bacevich, der Chef des Quincy Instituts:

„Etwas viel Mächtigeres als POTUS — nennen wir es den militärisch-industriellen Komplex oder den Tiefen Staat — hat de facto ein Vetorecht in allen Fragen, die mit nationaler Sicherheit zusammenhängen.“

In einem Beitrag der New York Times berichtet der langjährige Auslandskorrespondent Edward Wong, dass „die Herangehensweise der Biden-Administration in Fragen strategischer Prioritäten erstaunlich konsistent ist mit den Leitlinien der Trump-Administration“.

Erstaunlicher als diese Tatsache scheint mir, dass Wong sich darüber wundert:

„In der Praxis erweist sich die Macht des mächtigsten Mannes der Erde doch als sehr begrenzt. Faktoren im In- und Ausland schränken den Handlungsspielraum des Präsidenten ein.

(…)

Zwei Faktoren stechen hervor, ein struktureller und ein ideologischer.

(…)

Der strukturelle Faktor bezieht sich auf die Institutionen, deren Wohlergehen von der Aufrechterhaltung von Vereinbarungen abhängt, die noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. Nennen Sie es wie Sie wollen — den Blob, den Tiefen Staat, den Militär-Industrie-Kongress-Komplex (1) — er übt de facto ein Vetorecht aus in allen Angelegenheiten, die mit der grundlegenden nationalen Sicherheitspolitik der USA zusammenhängen.

*(…) *

Der ideologische Faktor beruht auf expliziten oder stillschweigenden Annahmen des amerikanischen Exzeptionalismus: Den Vereinigten Staaten obliegt es, die Welt zu führen, wobei Führung in der Praxis tendenziell zu einem Synonym für globale Vorrangstellung hinausläuft und Vorrangstellung tendenziell in militärischer Form ihren Ausdruck finden.

Mit Bezug auf Joe Bidens kürzliches Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping argumentiert Yves Smith Naked Capitalism ähnlich:

„Nationale Führer haben nie völlige Handlungsfreiheit; selbst Autokraten müssen auf die Wählergruppen oder Machtblöcke Rücksicht nehmen. In den USA hat es sich herausgestellt, dass der Präsident in außenpolitischen Fragen nur begrenzte Freiheitsgrade hat, die Interessen des Militärs und der Geheimdienste haben das Sagen. Allerdings gibt es Fraktionen, sodass ein Präsident bis zu einem gewissen Grad Einfluss nehmen kann. Deshalb konnte zum Beispiel Barack Obama die Pläne (seiner Außenministerin) Hillary Clinton für eine Eskalation in Syrien stoppen. Aber die Kehrseite ist, dass Präsidenten, die die Beziehungen zu Lieblingsfeinden verbessern wollen, nichts erreichen.

In den Interviews mit Oliver Stone erzählt Wladimir Putin, wie er mit George Bush produktive Gespräche führte und sie sich auf konkrete Deeskalationsmaßnahmen einigten. Spätere Nachfragen blieben unbeantwortet. Schließlich erhielt Putin eine schriftliche, in merkwürdigem Kauderwelsch gehaltene Absage. Durch dieses und andere Beispiele gelangte Putin zu der Schlussfolgerung, dass US-Präsidenten Gefangene von bürokratischen und kommerziellen Interessen sind.

Biden ist offensichtlich ein sehr schwacher Präsident. Es scheint so, dass die Neocons dadurch sogar noch größeren Einfluss als üblich auf die Außenpolitik erhalten.

Es ist davon auszugehen, dass Xi Jinping das versteht. In der chinesischen Erklärung beginnt Xi jedoch mit hehren Grundprinzipien, um zu folgern, dass die USA und China als globale Weltmächte die Pflicht haben, sich für Frieden, globale Entwicklung und Wohlstand einzusetzen. Daher, so Xi, sei es eine Fehleinschätzung der bilateralen Beziehungen und eine falsche Botschaft an die Weltgemeinschaft, China als strategischen Rivalen der USA zu sehen.

An wen wendet sich Xi mit solchen Ansprachen? Ganz sicher nicht an Joe Biden.“

Am selben Tag, an dem Yves zitierten Artikel erschien, stellte auch die Global Times, das wichtigste internationale Organ der Kommunistischen Partei Chinas, Bidens Unvermögen fest, Versprechungen einzuhalten, indem sie in einem Leitartikel die gleiche Beobachtung macht:

„Die Beziehungen zwischen China und den USA haben sich nicht nur nicht aus der Misere befreit, die die vorherige US-Regierung verursacht hat, sondern haben stagniert oder sich sogar verschlechtert. Das liegt darin begründet, dass Bidens positive rhetorische Impulse keine entsprechenden US-Aktionen nach sich zogen. Anders gesagt, in den Augen vieler Chinesen stimmt in Washington etwas nicht mit der Umsetzung.

Als nächsten Schritt sollten die USA die positiven Impulse der jüngsten Gespräche zu einer Dynamik entwickeln, die ihrer Fähigkeit zur Umsetzung entspricht, und Chinas Verlautbarungen zum strategischen Kurs ernsthaft prüfen, die vernünftig sind und die Interessen und Belange beider Länder berücksichtigen, China wirklich auf halbem Wege entgegenkommen und bilaterale Beziehungen beider Länder angemessen behandeln und weiterentwickeln. Insbesondere wäre es wichtig, dass die USA in Kernbereichen, die die bilateralen Beziehungen stark beeinflussen, im positiven Sinne Handlungsfähigkeit zeigten.

In diesem Zusammenhang ist interessant, die Ausführungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow gegenüber dem Lakaien, der in Washington seinen Amtskollegen spielt, zu betrachten:

„Die Minister sprachen über die laufende Entwicklung in der Ukraine. Sergej Lawrow erläuterte Russlands grundsätzliches Vorgehen in der speziellen Militäroperation in den Volksrepubliken Donezk, Lugansk und in der Ukraine. Er betonte, dass alle Ziele und Aufgaben der Operation vollständig erreicht würden.

(…)

*Lawrow betonte, dass die Sanktionen der USA die Situation verschlimmerten, und dass das von den USA gemachte Versprechen, russische Lebensmittellieferungen davon auszunehmen, nicht umgesetzt worden sei.

(…)

Was den möglichen Gefangenenaustausch zwischen den Ländern anbelange, empfahl Lawrow dringend eine Rückkehr zum professionellen Dialog im Sinne von ‚vertraulicher Diplomatie‘ ohne zweifelhafte Durchstechereien an die Medien.“

Autsch.

Der frühere indische Diplomat M.K. Bhadrakumar fragt nach einem Gespräch zwischen Blinken und Lawrow:

Sollte Biden nicht direkt mit Putin reden?

Solche Gespräche wie das gestrige leiden daran, völlig undurchsichtig zu sein. Blinken gelingt es nicht einmal, die für Biden wichtigen Themen zu artikulieren: die Risse in der westlichen Einigkeit.

Seltsamerweise steht die Biden-Administration vor zwei Krisenherden mit explosivem Potenzial — in der Ukraine und auf Taiwan. In beiden Fällen ist völlig klar, dass Washington sie verursacht hat. Trotzdem könnte die Art, wie Biden diese Krisen handhabt, nicht unterschiedlicher sein.

Im Falle Taiwans hat er nicht gezögert, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping anzurufen, um die Lage zu entspannen. Aber zur Kommunikation mit Präsident Wladimir Putin wählte er einen anderen Weg.

Sicherlich, Biden hat sich nach sechs Monaten des Ukrainekonfliktes endlich entschlossen, in den sauren Apfel zu beißen, und den Kontakt mit Moskau auf höchster Ebene wieder aufzunehmen. Aber um zu Putin durchzukommen, bediente er sich seines Außenministers!

Obwohl die Beziehungen zwischen den USA und China angespannt sind, hat Biden sie nicht auf die persönlich Ebene gehoben. Er äußerte sich nie abfällig, um Xi Jinping zu ärgern, wie er es wiederholt mit Putin getan hat.“

Aber hat er bezüglich Taiwan etwas erreicht? Offensichtlich nicht. Ihn anzurufen ist ziemlich wirkungslos (2).

Das Problem bei einem Anruf in Moskau ist nicht, dass Biden Putin beleidigt und in ein schlechtes Licht gestellt hat. Der russische Präsident ist ein Profi. Er nimmt so etwas nicht persönlich. Ihm geht es darum, dass Dinge erledigt werden, dass einmal gemachte Versprechungen eingehalten werden. Das eigentliche Problem ist, wie die drei zitierten Autoren feststellten, dass Biden bei so gut wie allen Angelegenheiten kein Mitspracherecht hat.

Biden könnte Nancy Pelosis extravagante, aber gefährliche Reise nach Taiwan verhindern, indem er einfach ihren Pass aus Gründen der nationalen Sicherheit für ungültig erklärt. Dafür gibt es einen vom Obersten Gericht abgesegneten Präzedenzfall. Stattdessen riskiert er eine umfassende militärische Antwort von China.

Was Antony Blinken betrifft, so war er während der vergangenen zwei Jahrzehnte kaum mehr als Bidens Laufbursche, ein Schwindler ohne wirklichen Einfluss in der Bürokratie des Tiefen Staates. Dort dirigieren Victoria Nuland und andere durchtriebene Neocons die eigentliche Show. Diese werden noch vom persönlichen Groll ihrer Großeltern angetrieben und suchen dafür Rache — koste es, was es wolle.

Jeder Präsident, der wirklich die US-Politik bestimmen will, muss knallhart durchgreifen. Rücksichtslos muss er rechts oder links Mitarbeiter feuern, wenn sie auch nur daran denken, eine bestimmte Politik zu sabotieren — und zwar bis hinunter auf die dritte oder vierte Ebene der Bürokratie des Außenministeriums, des Pentagon und der Geheimdienste. Das Justizministerium und die Steuerbehörde müssen zur Kontrolle des Kongresses eingesetzt werden. Jeder Senator, Repräsentant oder Mitarbeiter, der sich der Agenda entgegenstellt, muss öffentlich als der zutiefst korrupter Egoist entlarvt werden, er nun einmal jeder von ihnen ist.

Aber wäre das nicht ein diktatorisches Vorgehen? Nun, sehen Sie sich an, wie Xi Jinping und Wladimir Putin ihre Aufgaben wahrnehmen, großenteils mit Zustimmung ihrer Bevölkerung. Beide wurden durch ihre jeweiligen Wählerschaften wiedergewählt.

Joe Biden schafft das auf keinen Fall.