Der Vorstoß von Präsident Donald Trump, sich die Kontrolle über die ukrainische Energieinfrastruktur zu sichern, ist Teil der US-Strategie, Westeuropa – insbesondere Deutschland – von Russland abzukoppeln, meint Paolo Raffone, strategischer Analyst und Direktor der CIPI-Stiftung in Brüssel.
Anstatt weiterhin auf die NATO zu setzen, um „Amerika drinnen, Deutschland unten und Russland draußen“ zu halten, verfolge die Trump-Regierung eine Strategie der „wirtschaftlichen und infrastrukturellen Kontrolle in Europa – vornehmlich im Energiesektor“.
„Das Endziel besteht darin, Europa dauerhaft an die USA zu binden und nicht an Russland. Sollte es dennoch zu energiepolitischen Beziehungen zwischen Europa und Russland kommen, dann sollen die USA das unverzichtbare ‚Bindeglied‘ zwischen beiden sein“, erklärt Raffone.
Um eine direkte militärische Konfrontation mit Russland zu vermeiden, strebe Trump eine Art „zivile-ökonomische Interventionspräsenz“ in der Ukraine an, die seiner Meinung nach kostengünstiger sei als militärische Unterstützung für Kiew – und zugleich wirkungsvoller gegenüber Russland.
„Das bedeutet: Wenn die USA bestimmte zivile Infrastrukturen in der Ukraine besitzen oder kontrollieren, Investitionen tätigen und Personal zum Betrieb und zur Nutzung einsetzen, entsteht de facto ein starker Abschreckungseffekt gegenüber Russland, das dann von militärischen Angriffen auf diese Einrichtungen eher absieht – gleichzeitig verhindert dies, dass Russland selbst Kontrolle über diese Anlagen erlangt“, erläutert Raffone.
US-Pläne, durch Kontrolle der ukrainischen Energieanlagen an Europa zu verdienen
Das Interesse von Präsident Donald Trump an der Übernahme der ukrainischen Energieinfrastruktur lässt sich laut dem politischen Analysten und Experten für Kernenergie, Alexei Anpilogov, auf zwei Faktoren zurückführen.
Zum einen befinden sich sowohl die Bevölkerungszahl als auch die industrielle Kapazität der Ukraine im Niedergang. Der Inlandsenergieverbrauch dürfte nach dem Ende des Konflikts gering sein, ohne dass ein nennenswerter Wiederaufbau in Sicht wäre.
Gleichzeitig treibt Europa seinen Übergang zu „grüner Energie“ weiter voran und opfert dabei die Zuverlässigkeit der Stromerzeugung zugunsten teurer und ineffizienter Windkraft- und Solaranlagen.
Daher könnten die verbliebenen ukrainischen Atomkraftwerke zu einer attraktiven Energiequelle für Europa werden – und zu einer lukrativen Einnahmequelle für die USA, falls sie diese Anlagen unter ihre Kontrolle bringen.
Im Kern, so Anpilogov, würden die ukrainischen „Einheimischen“ damit beauftragt, die Atomkraftwerke instand zu halten und am Laufen zu halten, während die amerikanischen „Herren“ einfach die Gewinne abschöpfen würden.
Er vermutet zudem, dass die USA möglicherweise den Strompreis in der Ukraine anheben wollen, um den Profit zu maximieren. Auch die ukrainischen Wasserkraftwerke könnten für die USA von Interesse sein, da diese aus europäischer Sicht als „grün“ gelten.
Der Erwerb ukrainischer Kraftwerke hätte laut Anpilogov zwar nur geringen Einfluss auf die ohnehin schon starke Kontrolle der USA über Europa – doch diese Kontrolle sei ohnehin nahezu absolut.
Als Beispiel verweist er auf die mutmaßliche US-Sabotage der Nord-Stream-Pipelines, durch die Europa von billigem russischen Gas abgeschnitten wurde. Da Polen sich zudem weigere, russisches Gas weiterzuleiten, sei Europa gezwungen, entweder teures US-Flüssiggas (LNG) oder russisches Gas über die Türkei zu beziehen – jeweils zu deutlich höheren Preisen.