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Washington verkauft der New York Times das Märchen, Putin suche nach einem Ausweg

Washington verkauft der New York Times das Märchen, Putin suche nach einem Ausweg

Larry Johnson

Ich will vorweg klar sagen – Ich glaube, die NYT berichtet korrekt, was seine Quellen den drei Reportern im heute erschienenen, erstaunlichen Artikel gesagt haben: „Putin signalisiert heimlich, dass er für einen Waffenstillstand in der Ukraine offen ist“. Der Artikel, berichtet von Anton Troianovski, Adam Entous und Julian E. Barnes, behauptet, dass die öffentliche Prahlerei Putins ein Schwindel ist und dass er inoffizielle Kanäle benutzt, um ein Ende des Ukrainekriegs zu verhandeln. Das ist Unsinn. Ich werde erklären, warum.

Der folgende Abschnitt aus dem Artikel ist ein großes Warnsignal, dass die „Quellen“, die dieses Märchen spinnen, einen Feldzug im Informationskrieg betreiben:

Herr Putin hat seit letztem September über Mittelsmänner signalisiert, dass er offen sei für einen Waffenstillstand, der die Kämpfe entlang der gegenwärtigen Front einfriert, weit entfernt von seinem Bestreben, die Ukraine zu dominieren, sagten zwei ehemalige hochrangige russische Beamte mit Nähe zum Kreml, und amerikanische und internationale Beamte, die Botschaften von Putins Gesandtem erhalten haben.“

Beginnen wir mit der ersten Unwahrheit – dass Putin bereit sei, sein „Bestreben, die Ukraine zu dominieren“ zu opfern. Seit dem Beginn der Speziellen Militäroperation (SMO) war Präsident Putin prägnant und konsequent – Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine. Pro-ukrainische Analysten im Westen bestehen fälschlicherweise weiterhin darauf, dass Putin im März 2022 Kiew einnehmen wollte, er aber scheiterte und dass er die Absicht habe oder hatte, die gesamte Ukraine zu erobern. Das ist reinste Westpropaganda.

Die Quellen für dieses Geschwafel sind „zwei ehemalige russische Beamte mit Nähe zum Kreml“ und ungenannte amerikanische und „internationale Beamte“. Ich verwette meinen Weihnachtspudding, dass diese Beamten Briten sind. Die von den ehemaligen russischen Beamten gelieferten Infos sind völlig suspekt. Woher ich das weiß? Ich hatte vor zwei Wochen in Moskau eine Unterhaltung mit einem sehr hochrangigen russischen Beamten, der bei Besprechungen im Kreml dabei ist. Er präsentierte eine ganz andere Botschaft. Insbesondere drückte der Beamte seine Sorge über das Fehlen substantieller diplomatischer Kontakte mit Washington aus und betonte, dass die US-Politik anscheinend darauf aus ist, jeden vernünftigen Weg zu Verhandlungen zu sabotieren. Lasst es mich so ausdrücken – jene Person, die diese Sorgen übermittelte, wäre mitten in irgendwelchen diplomatischen Kontakten mit den Vereinigten Staaten verwickelt.

Alastair Crooke, der mit mir in Moskau war, hat eine exzellente Zusammenfassung dessen geliefert, was wir hörten:

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind auf einem Tiefpunkt angelangt; sie sind sogar noch schlechter als gedacht. In Gesprächen mit hochrangigen russischen Beamten wird deutlich, dass die USA Russland als klaren Feind betrachten. Um einen Eindruck zu gewinnen, würde ein hoher russischer Beamter fragen: „Was wollen Sie von mir?“. Dann könnte die Antwort lauten: „Ich wünschte, Sie würden sterben“.

Die inhärente Spannung und der Mangel an echtem Austausch sind schlimmer als zu Zeiten des Kalten Krieges, als die Kommunikationskanäle noch offen waren. Diese Lücke wird durch das Fehlen von politischem Verstand bei den europäischen politischen Führern noch verstärkt, mit denen eine fundierte Diskussion nicht möglich ist.

Russische Beamte erkennen die Risiken dieser Situation. Sie sind jedoch ratlos, wie sie diese Situation korrigieren können. Auch der Tenor des Diskurses hat sich von offener Feindseligkeit hin zu Kleinlichkeit verschoben: Die USA könnten zum Beispiel Arbeiter daran hindern, die russische Mission bei der UNO zu betreten, um zerbrochene Fenster zu reparieren. Moskau sieht sich dann – widerwillig – gezwungen, in ähnlich kleinlicher Weise zu reagieren – und so dreht sich die Beziehung immer tiefer nach unten.
Was also ist der Zweck dieses NYT-Artikels? Ich denken, wir können die Erklärung in einer kürzlichen Kolumne von Gideon Rachman in der Financial Times finden:

Eine Alternative zu einer formellen Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine könnte ein faktisches Einfrieren des Konflikts sein. In diesem Szenario würde die Ukraine hauptsächlich eine defensive Haltung einnehmen und weitere russische Vorstöße abwehren. Die Kämpfe würden nie ganz aufhören – aber sie würden abnehmen.

Eine Zwischensituation – irgendwo zwischen einem eingefrorenen Konflikt und einem formellen Friedensvertrag – wäre ein Waffenstillstand. Die beiden Seiten würden sich nur auf eine Einstellung der Feindseligkeiten einigen, ohne die zugrunde liegenden politischen Fragen zu klären. Vorbild wäre hier das Ende des Koreakriegs und die Teilung der Halbinsel in Nord- und Südkorea. . . .

Selbst einige der eifrigsten westlichen Unterstützer der Ukraine sprechen jetzt davon, dass Kiew einen eingefrorenen Konflikt akzeptieren und den Sieg erklären müsse. „Wir müssen den Spieß umdrehen und sagen, dass Putin gescheitert ist“, sagt ein ehemaliger US-Beamter.“

Einfach ausgedrückt – der NYT-Artikel soll dazu dienen, das Narrativ umzudrehen und dem Westen eine Ausrede liefern, um aus der Ukraine auszusteigen. Putin und seine Regierung haben keine Anlass, der Ukraine oder den USA oder der NATO Zugeständnisse zu machen. Russland gewinnt den Krieg und zerreibt die ukrainische Militärmaschine und Truppenstärke. Sogar viele wichtige ukrainische Beamte geben zu, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Niederlage Russlands gleich Null ist.

Ein weiterer Zweck dieses Artikels ist, unter russischen Beamten und den russischen Volk Misstrauen gegen Putin zu säen. Mit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive sind die Russen mehr denn je entschlossen, das ukrainische Militär und seine NATO-Verbündeten zu erledigen. Sollte Putin zustimmen, ein Ende der SMO zu verhandeln, bevor die Ukraine demilitarisiert ist, dann würde seine politische Reputation zusammenfallen. Die Russen sind sich der Realität völlig bewusst, dass der Westen eine böswillige Kraft ist, die darauf abzielt, Russland zu zerstören und sie unterstützen ganz die Vernichtung der Ukraine und deren Stellvertreter, der NATO. Das Letzte, was Putin und seine Regierung wollen, ist, dem Westen das Geschenk zu machen, die Militäroperation einzustellen, bevor die Aufgabe der Vernichtung der militärischen Fähigkeiten der Ukraine erledigt ist.