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Wells Fargo – Bankenkrise?

armstrongeconomics.com: Es hat begonnen. Wells Fargo teilte gerade allen seinen Kunden mit, dass sämtlich privaten Kreditlinien per sofort gestrichen werden. Die Bank hat klargestellt, dass sie ausnahmslos alle bislang bestehenden privaten Dispomöglichkeiten entfallen und diese ab sofort auch nicht mehr angeboten werden. Das schließt auch variable Kreditlinien ein, bei denen sich Kunden bei Bedarf ohne weitere Prüfung Beträge leihen können, die zwischen 3.000 und 100.000 Dollar liegen. In der Vergangenheit bot die Bank derartige Kredite zur Umschuldungen oder zur Deckung einmaliger höherer Ausgaben wie etwa einer Renovierung an. Teil dieser Art von Kreditangeboten war, dass auf Girokonten, die mit dem Kredit verbunden waren, keine extra Überziehungsgebühren anfielen und alles über den variablen Kredit laufen konnte.

Kunden solcher Kredite haben ab sofort eine Frist von 60 Tagen, bis ihre Konten aufgelöst werden. Reuters bat Wells Fargo um eine Stellungnahme, die das Unternehmen aber abgelehnt hat. Zuvor bereits hatte Wells Fargo sein Immobilienkreditgeschäft stillgelegt und dies mit den von der Coronapandemie verursachten wirtschaftlichen Unsicherheit begründet. Der Ruf von Wells Fargo litt in den letzten Jahren, nachdem es zu einer ganzen Reihe von Finanzskandalen im Zusammenhang mit Privatkrediten kam. Im Jahr 2016 musste sogar der damalige Chef John Stumpf zurücktreten, nachdem die US-Konsumentenschutzbehörde gegen eine Strafzahlung in Höhe von 185 Millionen Dollar gegen die Bank aussprach.

Ein Stück Geschichte des Wilden Westens geht zugrunde

Die Wells Fargo Bank wirbt gerne mit dem 18. März 1852 als Gründungsdatum. Doch in Wahrheit war das Unternehmen zunächst ein reines Logistikunternehmen. Der Startschuss dafür fiel in New York, wo sich Henry Wells und William G. Fargo mit einigen anderen Investoren zusammenschlossen, um die beiden damals noch getrennten Küsten im Osten und im Westen Logistikspezialist miteinander zu verbinden. Auslöser für die Idee war die Entdeckung von Gold in Kalifornien im Jahr 1849. Sie waren weitsichtig genug, um den schnell wachsenden Bedarf für regelmäßige Verbindungen zwischen den beiden fast 5.000 Kilometern auseinanderliegenden Küsten zu erkennen. Mit Wells Fargo wollten sie diese Chance für sich nutzen.

Das frisch gegründete Wells Fargo & Co. fokussierte sich zunächst auf den Warentransport von der Ostküste zu den neu entdeckten Goldminen im Norden Kaliforniens. Dafür schloss das Unternehmen in erster Linie Verträge mit unabhängigen Postkutschenunternehmen ab, die auf dem Weg lagen, um den schnellstmöglichen Transport und die Zustellung von frisch geschürftem Gold, wichtigen Dokumenen und anderer wertvoller Frachtstücke zu gewährleisten. In der Folge stieg Wells Fargo dann aber auch selbst in den Handel mit Gold ein und betrieb bald auch ein Bankgeschäft, das zu einer wichtigen Triebfeder der sich damals entstehenden Wirtschaft Kaliforniens entwickelte.

Nach wenigen Jahren schon war das Geschäft so profitabel, Wells Fargo mit der Ausgründung der Overland Mail Company auch regelmäßige Post- und Passagierdienste anzubieten begann. Selbst einen „Pony Express“ genannten berittenen Expressdient bot das Unternehmen an. Wells Fargoc galt lange Zeit alsvertrauenswürdig und zuverlässig. Das Logo der Bank bestehend aus einer klassichen Kutsche wurde später auch in Filmen als eigenes Symbol für den Wilden Westen berühmt.

Wells Fargo wuchs so schnell, dass zahlreiche Übernahmen finanziert werden konnten und es auch zu Fusionen kam im Bereich der Express- und Postkutscherei. Bis 1866 konnte Wells Fargo unter anderem mit der Übernahme der Overland Mail Company und des Holladay Express einem der führenden Transportdienstleister der USA aufsteigen. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie drei Jahre danach sattelte auch Wells Fargo um stieg auch Wells Fargo auf die Eisenbahn um.

Die Trennung von Bank und Logistik

Im Jahr 1905 schließlich entstand die heutige Bank Wells Fargo, als die beiden Geschäftsbereiche der Logistik und des Bankenwesens getrennt wurden. Die neue Bank Wells Fargo übernahm die Nevada National Bank und verlegte ihren Hauptsitz nach San Francisco. Dort wurde dieser zwar vom großen Erdbeben von 1906 getroffen. Doch die Tresore blieben zu, während das Gebäude selbst darüber einstürzte.

Bis 1910 bediente das Logisikunternehmen ein Netz von 6.000 Orten und bot die Basis für eine geschlossene Wertschöpfungskette zwischen den urbanen Zentren im Osten über die Farmen des Mittleren Westens und die Ranchen und Minen in Texas, sowie bis zur Küste Kaliforniens und dem Pazifischen Nordwesten, wo die Papierindustrie heimisch war.

Infolge des Ersten Weltkriegs verstaatlichte die US-Regierung die Schifffahrtslinien von Wells Fargo und schloss sie mit den Eisenbahnen zum American Railway Express zusammen. Das war das Ende von Wells Fargo als eigenständiges Logistikunternehmen. Das weiterhin bestehende Bankunternehmen verkürzte schließlich im Jahr 1962 ihren damals noch recht umständlichen Namen von „Wells Fargo Bank American Trust Company“ auf nur noch Wells Fargo Bank.

Die Geschichte der Wells Fargo Bank als eigenständiges Unternehmen begann im Jahr 1904. Ihren Höhepunkt erlebte sie gemäß ihres 112-Jahres-Zyklus im Jahr 2016. Nachdem die Aktie in der technischen Analyse gleich zwei Verkaufssignale erreicht hat, lässt sich der langfristige Preis bei 28,80 Dollar pro Aktie taxieren. Sollte sie zum Jahresende jedoch darunter bleiben, wäre es sehr wahrscheinlich das Ende der Bank.