Von Arnaud Bertrand
Das klingt zu unglaublich, um wahr zu sein – und doch habe ich die letzten zwei Tage damit verbracht, die Fakten zu prüfen. Und es stimmt: Zum ersten Mal überhaupt ist es Forschern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (inzwischen als weltweit führende Forschungseinrichtung eingestuft) gelungen, das biologische Altern bei Primaten systematisch rückgängig zu machen – mithilfe modifizierter menschlicher Stammzellen.
Ein Durchbruch im gesamten Körper
Die Verjüngung war umfassend: 10 Organsysteme, 61 Gewebetypen, einschließlich Gehirn, Knochen, Zähne, Fortpflanzungssystem – bis hinunter zu Zellen und Neuronen – zeigten deutliche Verjüngungseffekte.
Die verwendeten Tiere, Krabbenfressermakaken (Cynomolgus-Makaken), ähneln dem Menschen physiologisch stark, und da die Therapie menschliche Zellen verwendet, könnte sie vergleichsweise schnell auf Menschen übertragen werden.
Das 44-wöchige Experiment zeigte keine Nebenwirkungen: keine Tumore, keine Immunreaktionen, kein Fieber, kein Gewichtsverlust.
Dies ist der bisher stärkste Nachweis, dass biologisches Altern grundsätzlich umkehrbar ist – und die bislang vielversprechendste Grundlage für eine klinisch anwendbare Anti-Aging-Therapie.
Hier finden Sie alle Einzelheiten zu den Untersuchungen der Forscher (vollständige, von Experten begutachtete Studie hier) und warum sie so bahnbrechend ist.
Die modifizierten menschlichen Stammzellen
Die Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Capital Medical University in Peking nutzten mesenchymale Vorläuferzellen, also Stammzellen, die wie ein internes „Reparaturteam“ des Körpers fungieren und ständig Gewebe regenerieren.
Das Problem: Mit zunehmendem Alter altern auch diese Reparaturzellen selbst – sie hören auf, sich zu teilen, sondern setzen stattdessen entzündliche Proteine frei. Diese „Erschöpfung“ der Stammzellen gilt als eine der Hauptursachen für das Altern.
Der entscheidende Durchbruch der Forscher bestand darin, die Aktivität eines Langlebigkeitsproteins namens FOXO3 zu erhöhen, das im Alter natürlicherweise abnimmt. Dieses Protein ist stark mit menschlicher Langlebigkeit assoziiert – mehrere Studien hatten es bereits bei Hundertjährigen identifiziert.
Die Forscher nahmen gezielte genetische Veränderungen am FOXO3-Gen vor (Mutationen S253A und S315A), wodurch das Protein nicht mehr abgebaut wurde, sondern sich in den Zellkernen anreicherte.
Das Ergebnis:
- Die Zellen waren stressresistenter,
- behielten längere Telomere (die schützenden Endkappen der Chromosomen),
- produzierten weniger Entzündungsproteine
und zeigten keine Tumorneigung oder genetische Instabilität.
Sie nannten diese neuen Zellen „Seneszenz-resistente Zellen“ (SRCs) – „Seneszenz“ bedeutet biologisches Altern.
Der Tierversuch
44 Wochen lang erhielten ältere Makaken (19–23 Jahre alt, vergleichbar mit Menschen zwischen 55 und 70 Jahren) alle zwei Wochen intravenöse Injektionen dieser SRCs, mit einer Dosis von 2 Millionen Zellen pro Kilogramm Körpergewicht.
Die Kontrollgruppen:
- Ältere Makaken mit herkömmlichen, nicht veränderten Stammzellen (WTCs),
- Ältere Makaken mit Placebo,
- Junge Makaken (3–5 Jahre alt) als Referenz.
Während des gesamten Versuchs traten keine negativen Effekte auf – ein bemerkenswerter Erfolg, da frühere Stammzelltherapien oft durch Tumorbildung oder Immunreaktionen scheiterten.
Die unglaublichen Ergebnisse
Allgemeine biologische Verjüngung
Mit Hilfe von „Aging Clocks“ – maschinellen Lernmodellen, die anhand genetischer und epigenetischer Marker das biologische Alter bestimmen – stellten die Forscher fest:
- Die behandelten Tiere wurden im Schnitt 3,3 Makakenjahre jünger – etwa 10 Menschenjahre.
- Rund die Hälfte aller Gewebe zeigte diese Verjüngung (gegenüber nur 31 % bei herkömmlicher Behandlung).
Organ- und Gewebeverjüngung
- Haut: 5,6 Makakenjahre jünger (≈ 17 Menschenjahre)
- Lunge: 4 Jahre (≈ 12 Menschenjahre)
- Muskeln: 3,5–5 Jahre (≈ 10–15 Menschenjahre)
- Hippocampus (Gedächtniszentrum): 2 Jahre (≈ 6 Menschenjahre)
- Neuronen: 6–7 Jahre (≈ 18–21 Menschenjahre)
- Eizellen: 5 Jahre (≈ 15 Menschenjahre)
Verbesserte Gehirnfunktion
Die Tiere schnitten bei Gedächtnistests deutlich besser ab, fast auf dem Niveau junger Makaken.
MRT-Scans zeigten:
- weniger Hirnschrumpfung,
- bessere Nervenverbindungen,
- weniger Alzheimer-typische Proteinablagerungen (β-Amyloid, Tau).
Stärkere Knochen
Mikro-CTs belegten:
- weniger Knochenabbau,
- bessere Knochendichte,
- Schutz vor Osteoporose.
Herz, Stoffwechsel & Blutgefäße
- gesündere Gefäßinnenwände,
- geringere Arterienverkalkung,
- weniger Fettablagerungen,
- bessere Zellatmung.
Reproduktive Gesundheit
- weniger Zellsterben in Eierstöcken und Hoden,
- gesündere Spermienproduktion,
- Ovarien durchschnittlich 4,5 Jahre jünger (≈ 13 Menschenjahre).
Wenn sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, könnten Frauen in ihren späten 40ern wieder Eierstockfunktionen wie mit Mitte 30 haben – ein enormer Durchbruch.
Veränderungen auf Zellebene
- deutlich weniger „Zombie-Zellen“,
- reduzierte Entzündungen,
- bessere DNA-Stabilität,
- stärkere Regeneration durch verjüngte Stammzellen,
- Wiederherstellung der Zellkommunikation und Selbstreinigung.
Die Behandlung dämpfte schädliche Alterungsprozesse (Entzündung, Zellabbau, Vernarbung) und aktivierte regenerative Mechanismen, die im Alter nachlassen.
Das Geheimnis der Exosomen
Die Forscher entdeckten, dass die SRCs Exosomen freisetzen – winzige Botenbläschen (30–150 nm), die Anti-Aging-Proteine, entzündungshemmende Moleküle und DNA-schützende Substanzen enthalten.
Diese Exosomen:
- reduzierten Entzündungen,
- schützten das Erbgut,
- aktivierten Reparaturprozesse,
- stellten jugendliche Genaktivität wieder her.
Sogar bei alten Mäusen verjüngten nur die Exosomen (ohne Stammzellen) Leber, Lunge, Nieren und Muskeln – und in Zellkulturen verjüngten sie menschliche Neuronen, Eizellen, Blutgefäße und Leberzellen.
Das bedeutet: Vielleicht braucht man die Stammzellen gar nicht – nur ihre molekularen Botenstoffe.
Warum das revolutionär ist
Dies ist die erste nachgewiesene umfassende Verjüngung bei Primaten durch genetisch optimierte menschliche Stammzellen.
Zuvor waren Erfolge auf Mäuse beschränkt oder auf einzelne Organe begrenzt.
Im Unterschied zu früheren Experimenten:
- funktionierte die Methode bei Primaten,
- verjüngte den gesamten Körper,
- zeigte funktionelle Verbesserungen – Gedächtnis, Knochen, Fruchtbarkeit –
- und verursachte keine Nebenwirkungen.
Das Besondere: Diese Exosomen-Technologie könnte industriell hergestellt und konserviert werden – ein Schritt hin zu einer bezahlbaren Therapie.
Fazit
Diese Studie gilt als einer der bedeutendsten Durchbrüche der Altersforschung überhaupt – ein Schritt näher an einem echten „Jungbrunnen“.
Dass der Durchbruch aus der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, einer staatlich finanzierten Institution, stammt, unterstreicht Chinas aufstrebende Führungsrolle in der globalen Wissenschaft.


