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Evan Vucci/AP

Der alte Joe Biden und der neue Joe Biden

Im Jahr 2016 hieß es über den damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump: „Die Presse nimmt ihn wörtlich, aber nicht ernst; seine Unterstützer nehmen ihn ernst, aber nicht wörtlich.“

Heute präsentiert sich uns ein weiteres präsidiales Dilemma: Wie passt der neue und sich radikal gebende Joe Biden zu seinem früheren Selbst?

Oberflächlich betrachtet könnte diese Frage über einen 78-jährigen Mann kaum seltsamer anmuten. Denn immerhin hat der Mann schon fast 50 Jahre Washington auf dem Buckel, wir alle kennen ihn von allen Seiten. Doch der neue Biden – Präsident Biden – klingt und handelt überhaupt nicht so, wie der ehemalige Senator und Vizepräsident.

Dieser neue Biden ist so dramatisch anders im Vergleich zu früher, dass wir uns nicht mehr sicher sein können, ob wir ihn wörtlich nehmen sollen, oder ob wir ihn ernst nehmen sollen.

Im ernst: Wer zum Teufel ist dieser Typ?

Der alte Biden war ein Maulheld, der seine Klappe nicht halten konnte. Der neue Biden dagegen könnte sich kaum stärker vor den Mikrofonen verstecken. Das gilt ganz besonders dann, wenn die Presse einige Fragen an ihn hat. Wahlweise versteckt er sich, weicht aus oder murmelt.

Der alte Biden war stolz auf seine Freundschaft mit den Segregationisten der Südstaaten und bezeichnete Senator Robert Byrd – ein ehemaliges Mitglied des KKK – als einen Mentor. Der neue Biden dagegen will nichts mehr davon wissen und erklärt ganz Amerika für schuldig am „systemischen Rassismus“ und bezeichnet es als „einen Schandfleck auf der Seele der Nation“.

Der alte Biden verteidigte die Regel der Supermehrheit im Senat und war gegen die politische Aufblähung des Obersten Gerichtshofs. Der neue Biden hält die Supermehrheit für ein Relikt aus der Zeit der Rassentrennung und bildet eine Kommission, die ausloten soll, inwieweit sich der Oberste Gerichtshof erweitern ließe.

Der alte Biden wehrte sich im Wahlkampf gegen den „Green New Deal“, doch der neue Biden will plötzlich ganze Industrien umkrempeln und scheut nicht vor drakonische Regulierungen für fossile Brennstoffe zurück, was tief in den Alltag der Menschen eingreifen würde.

Der alte Biden beanspruchte die Lorbeeren ein Kriminalitätsgesetz aus dem Jahr 1994, mit dem 100.000 Polizeistellen und 125.000 neue Gefängniszellen finanziert wurden, und das die Mindeststrafen für zahlreiche Vergehen anhob.

Ganz anders der neue Biden, der den Schuldspruch gegen den ehemaligen Polizisten Derek Chauvin mit den Worten kommentierte, wonach der Fall „der ganzen Welt die Scheuklappen herunterriss und jetzt bekommen wir den systemischen Rassismus zu sehen. Es ist das Knie im Nacken der Gerechtigkeit für schwarze Amerikaner“.

Ist Biden noch Herr über seine Sinne?

Menschen ändern sich, und das ist auch gut so. Ein Jahrzehnt – geschweige denn ein halbes Jahrhundert – starr an einer Meinung festzuhalten, deutet in der Tendenz eher auf einen verschlossenen Geist hin, denn auf einen prinzipientreuen.

Der neue Biden aber ist nicht das Ergebnis einer Persönlichkeitsevolution. Vielmehr stellen seine radikalen Ansichten über Rasse, Regierungsinstitutionen, Klimawandel und Strafjustiz solch plötzliche, umfassende Umkehrungen dar, dass sie zur Skepsis über seine Aufrichtigkeit einladen und darüber, ob er sich seiner Fähigkeiten noch voll bewusst ist.

In Anbetracht einer derartigen Wandlung muss man sich fragen, ob er wirklich seine Meinung in dieser Weise geändert hat, oder ob es sich dabei nur um rein taktische Manöver handelt mit dem Ziel, den kulturlinken Flügel seiner Partei im Griff zu behalten. Seine Aussagen sind so weit in die linke Ecke gerutscht, dass nicht mehr ganz klar ist, ob er sich über die Auswirkungen seiner pauschalen Verurteilungen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und hellhäutigen Amerikanern wirklich bewusst ist.

Ein aufschlussreicher Moment kam letzte Woche, als ein Journalist im Weißen Haus die folgende Frage stellte: „Inwieweit erkennt Präsident Biden seine eigene Rolle im systemischen Rassismus an?“

Es handelt sich dabei um eine überaus berechtigte Frage, denn Biden war über viele Jahrzehnte ein zentraler Akteur ausgerechnet jenes Systems, das er jetzt anprangert. Bereut er heute sein eigenes Verhalten in Bezug auf die eigene Rasse? Glaubt er auch, dass seine eigenen Kinder und Enkel vom systemischen Rassismus profitiert haben, den er überall sieht?

Eine durchdachte und ehrliche Antwort hätte uns sehr viel weiterhelfen können. Sie hätte zumindest etwas Licht geworfen, was und inwieweit der Präsident seine Ansichten wirklich verändert hat.

Stattdessen aber wich die Pressesprecherin Jen Psaki aus, wie sie nur konnte und meinte unter anderem: „Eines der Kernziele des Präsidenten ist es, die Rassenungerechtigkeit in diesem Land zu bekämpfen.“

Gesinnungsethik

Nicht nur Biden, sondern allen hochrangigen Politikern der Demokraten könnte man diese Frage stellen, da sie alle auf diesen Zug aufgestiegen sind und nicht weniger Geschöpfe Washingtons sind als es Biden ist.

Sprecherin Nancy Pelosi beipielsweise sitzt seit 1987 im Kongress. Was hat sie getan, um den systemischen Rassismus zu stoppen, und hat sie womöglich persönlich davon profitiert? War ihr Vater, ebenfalls ein Politiker, vielleicht ein Rassist?

Ebenso könnte man Chuck Schumer fragen, der seit 1975 öffentliche Ämter bekleidet. Wann genau hat er entdeckt, dass die USA von systemischem Rassismus durchsetzt sind, und was hat er persönlich bislang dagegen unternommen?

Die Wirklichkeit zeigt, dass nur sehr wenige Politiker die Vielfalt wirklich vorleben, die sie gerne predigen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass Afroamerikaner weniger als 1 Prozent der Spitzenmitarbeiter im Senat ausmachten. Als Doug Jones, ein ehemaliger Senator aus Alabama, im Jahr 2018 einen schwarzen Stabschef ernannte, da war er der einzige Demokrat, der einen solchen hatte.

Und weder Anita Hill noch Clarence Thomas dachten, dass Biden während Thomas Bestätigungsanhörung für den Obersten Gerichtshof 1991 über systemischen Rassismus besorgt war. Man muss sich nur einmal Thomas Kommentar anhören zu der Befragung, die ihm Biden angedeihen ließ. Von Rassengerechtigkeit spricht er darin definitiv nicht.

Der neue Biden polarisiert die Extreme

Das Muster des neuen Biden durchziehen auch seine Themen abseits der Gesellschaftspolitik. Jahrelang sprach er davon, den fleißigen Arbeitern des Landes zu helfen. Seine erste Amtshandlung als Präsident bestand dann allerdings in der Vernichtung von 11.000 gut bezahlten Arbeitsplätzen durch die Blockierung der Keystone XL-Pipeline.

Bidens gesamte Agenda kostet unglaublich viel Geld und sie setzt das ganze Land in Aufruhr. Seinn Ansatz beim Rassenthema aber ist geradezu aus auf Polarisierung und nicht weniger als explosiv. Schon jetzt schlägt sein Bildungsministerium Zuschüsse für Schulen vor, wenn diese damit beginnen, die Critical Race Theory und das historisch nicht haltbare 1619-Projekt der New York Times zu unterrichten.

Die Verfechter dieser marxistischen Propaganda zielen darauf ab, jeglichen Stolz auf die amerikanische Geschichte zu zerstören und sämtliche Aspekte des modernen Lebens in den USA als einen weiteren Beweis für die Tyrannei einer weißen Vorherrschaft hinzustellen. Man kann fast schon darauf wetten, dass auch das Thema der Reparationen für Nachfahren von Sklaven auf den Tisch kommen wird.

Bilderbuchgutmensch Biden

Es ist eine Sache, wenn Studenten von irgendwelchen verrückten Akademikern und mit Hilfe rassistischer Publikationen mit antiamerikanischem Schund indoktriniert werden. Es ist dagegen aber skandalös, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten sich diesem Chor mit seiner falschen Heilslehre anschließt.

Man muss konstatieren, dass sich unter Obama und mit Biden als seinem Vize die Rassenbeziehungen im Land verschlechtert haben. Inzwischen befinden sich im freien Fall. Leider ist der Schaden längst nicht mehr nur auf wissenschaftliche Debattenzirkel beschränkt.

Der landesweite Anstieg der Gewaltkriminalität ist eine direkte Folge davon, dass Politiker Polizisten die Handschellen anlegen und ihnen aus ideologischer Motivation verbieten, Personen mit einer bestimmten Rasse zu verhaften. Sie vergessen, dass farbige Amerikaner nicht nur einen Großteil der Tatverdächtigen ausmachen, sondern auch Opfer von Verbrechen.

Die Einschränkung polizeilichen Handlungsfähigkeit wird damit ausgerechnet unter jenen Menschen zu weit mehr Opfern als in der Vergangenheit führen, die Biden vorgibt besonders schützen zu wollen.