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Max Blumenthal: Wie bald wird die IDF Gaza wieder angreifen? Eine skeptische Analyse des Waffenstillstands

In der Sendung Judging Freedom vom 13. Oktober 2025 sprach der investigative Journalist Max Blumenthal, Chefredakteur des Grayzone-Podcasts, mit Moderator Andrew Napolitano über die jüngsten Ereignisse in Tel Aviv, wo ein von der Trump-Administration vermittelter Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas gefeiert wurde.

Blumenthal, der zweimal in Gaza war und für seine kritische Berichterstattung über israelische Politik bekannt ist, zeigte sich zutiefst zynisch. Er sieht den Deal nicht als Ende des Konflikts, sondern als eine weitere Pause in einem Kreislauf der Gewalt, der bald wieder aufflammen könnte.

Dieser Artikel beleuchtet Blumenthals Argumente, die politischen Dynamiken und die zugrunde liegenden Machtverhältnisse, die den Nahostkonflikt prägen – und prognostiziert, wie schnell die israelischen Streitkräfte (IDF) ihre Angriffe auf Gaza wieder aufnehmen könnten.

Ein Waffenstillstand zwischen Hoffnung und Bitterkeit

Blumenthal begann mit einer emotionalen Mischung aus Verblüffung und Frustration. Nach zwei Jahren, die er als „kontinuierlichen Genozid“ bezeichnete – mit Zehntausenden Toten und einer nahezu vollständigen Zerstörung Gazas – sei er erstaunt, dass der Konflikt möglicherweise endet.

Doch sein Zynismus überwog: „Ich habe mehrere Pausen erlebt“, sagte er und verwies auf frühere Waffenstillstände, die schnell scheiterten.

Der aktuelle Deal umfasst die Freilassung von 24 lebenden israelischen Geiseln (plus einer weiteren) und die Übergabe der Leichen von vier weiteren – im Gegenzug für tausende palästinensische Gefangene. Hinzu kommen humanitäre Korridore und ein sofortiges Ende der Kämpfe.

Blumenthal glaubt jedoch nicht an einen dauerhaften Frieden:

„Das ist nur eine Pause zwischen Kriegen.“

Er kritisierte die verpassten Chancen: Ein Anruf aus Washington hätte den Krieg schon vor einem Jahr beenden können.

Der israelische Friedensvermittler Gershon Baskin, der als Backchannel zwischen Hamas, den USA und Israel agierte, habe enthüllt, dass im September 2024 ein nahezu identischer Deal auf dem Tisch lag: vollständige Geiselfreilassung, Kriegsende und Verzicht der Hamas auf die Kontrolle über Gaza zugunsten einer technokratischen Regierung.

Doch die Biden-Administration habe Netanyahu nicht gedrängt, diesen Deal anzunehmen. Stattdessen erlaubte sie Israel, eine Offensive gegen die Hisbollah im Libanon zu starten, inklusive der Ermordung von Hassan Nasrallah, während an einem Waffenstillstand gearbeitet wurde.

Biden, der sich selbst als „Zionist“ bezeichnete, habe laut Kamala Harris’ Memoiren jeden Vorschlag für einen Waffenstillstand blockiert und stattdessen tonnenweise 2.000-Pfund-Bomben nach Israel geliefert.

„Tens of thousands were murdered“, sagte Blumenthal bitter.

Gaza sei zu 83 Prozent zerstört, Hunderte würden täglich aus den Trümmern geborgen, ohne dass die genaue Zahl der Toten bekannt sei. Viele israelische Geiseln, die in Gaza starben, seien durch IDF-Luftangriffe getötet worden – ein Umstand, den Israel vertusche.

Donald Trump, getrieben von seinem Wunsch nach einem Nobelpreis und einem glanzvollen Vermächtnis, habe nun Jared Kushner und Steve Witkoff aus der „Wildnis“ geholt, um diesen Deal durchzusetzen.

Blumenthal sieht darin einen Pyrrhussieg:

„Das hätte vor einem Jahr passieren können. Biden hat versagt, und Trump bekommt den Ruhm.“

Die Hamas als Ordnungsmacht – und Israels Proxy-Kräfte

Ein zentraler Punkt von Blumenthals Analyse war die Rolle der Hamas in Gaza. Trotz der Zerstörung habe die Hamas ihre administrativen Fähigkeiten bewahrt, Straßen überwacht und Ordnung aufrechterhalten – selbst während des Krieges.

Trump ließ auf Air Force One eine bemerkenswerte Aussage fallen: Er habe der Hamas „Hebelwirkung und Freiraum“ gegeben, um Stabilität in Gaza wiederherzustellen – einschließlich der Bekämpfung von Rivalen.

Blumenthal interpretierte dies als unfreiwilliges Eingeständnis: Die Hamas ist effektiv genug, um Chaos zu verhindern, was Israel und seine westlichen Verbündeten als Schwäche darstellen wollten.

Doch Israel setze weiter auf Destabilisierung. Hinter der sogenannten „53-Prozent-Linie“ – dem von Israel kontrollierten Teil Gazas – bewaffne die IDF Proxy-Milizen, darunter ISIS-nahe Banden und Kollaborateure wie Yasser Abu Shabab, einen lokalen Gangster aus Rafah.

Dieser habe Hilfslieferungen geplündert und zu Wucherpreisen an die hungernde Bevölkerung verkauft, während er in US-Medien wie dem Wall Street Journal als Alternative zur Hamas gefeiert wurde.

In den letzten 48 Stunden habe Abu Shababs Gruppe Hamas-Mitglieder und die Dagmash-Familie, eine bewaffnete Dynastie, getötet. Diese Kämpfe, so Blumenthal, dienten Israels Strategie, die Hamas als „Mörderbande“ zu diffamieren – während sie selbst Chaos stifte.

Blumenthal betonte außerdem, dass die Hamas seit dem 7. Oktober 2023 ihre Absicht erklärt habe, die Kontrolle über Gaza aufzugeben und eine technokratische Einheitsregierung mit Figuren wie Marwan Barghouti (Fatah) zu unterstützen.

Doch Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmoud Abbas weigerten sich, Barghouti freizulassen. Ohne ihn bleibe die Hamas „mit der Verantwortung für den Schutt von Gaza“ zurück – und erfülle diese Rolle erstaunlich effizient.

Ihre rote Linie: die Waffen nicht abzugeben, um sich gegen eine erneute israelische Invasion zu verteidigen.

IDF-Anweisungen: „Nach den Geiseln freies Feuer“

Die zentrale Frage des Interviews lautete: Wie bald wird die IDF ihre Angriffe auf Gaza wieder aufnehmen?

Blumenthals Antwort war düster:

„Sehr bald – sobald die Geiseln draußen sind.“

Er berief sich auf Anweisungen in hebräischen Telegram-Kanälen, die IDF-Soldaten an der 53-Prozent-Linie gegeben wurden:

„Wenn jemand aus Gaza sich nähert, schießt in die Nähe, aber nicht auf ihn – bis die Geiseln frei sind. Danach könnt ihr nach Belieben feuern.“

Diese Direktive deute darauf hin, dass Israel nur darauf warte, die Geiseln als Druckmittel loszuwerden, bevor es die Gewalt wieder eskaliere.

Blumenthal sieht Netanyahus politische Notlage als Treiber: Der Premierminister sei in Israel zutiefst unbeliebt – bei einer Veranstaltung in Tel Aviv mit Kushner und Witkoff wurde er ausgebuht.

Seine Koalition hänge an Figuren wie Itamar Ben-Gvir, dessen Partei nur ein oder zwei Sitze habe, aber den Ton angebe.

„Netanyahu braucht einen regionalen Krieg, um seine Macht zu sichern. Gaza ist dafür der ideale Schauplatz.“

Trumps Zurschaustellung: Korruption und Kriegsverherrlichung

Blumenthal kritisierte Trumps Auftritt in Jerusalem scharf.

Der Präsident nannte Netanyahu „einen der größten Kriegspräsidenten“ und forderte einen Pardon für ihn von Israels Präsident Herzog – ein „komisches“ Missverständnis, da Netanyahu Ministerpräsident ist.

Der Pardon bezog sich auf Skandale um 139.000 Dollar an Zigarren und Champagner, die Netanyahu als Bestechungsgeschenke akzeptiert habe.

Blumenthal sah darin ein Symbol für die Korruption, die sowohl Trump als auch Netanyahu präge.

Trump ging sogar so weit, Miriam Adelson, eine der reichsten Mossad-Finanzierinnen (ca. 60 Milliarden Dollar Vermögen), zu feiern. Adelson und ihr verstorbener Ehemann Sheldon Adelson hatten die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem durchgesetzt – ein Schritt, der laut Blumenthal den 7. Oktober 2023 mit auslöste.

Als Trump Adelson fragte, ob sie die USA oder Israel mehr liebe, schwieg sie – ein „Israel-first“-Moment, der Trump ungerührt ließ.

Blumenthal sah darin den Beweis einer „vergoldeten Ära des Zionismus“, in der US-Politik von einer technofeudalistischen Elite gesteuert werde.

„Netanyahu braucht einen Pardon, um politisch zu überleben – oder er startet einen neuen Krieg.“

Bidens Versagen: Ideologie über Menschenleben

Blumenthal erinnerte an seine Prophezeiung vom 29. November 2023 in Judging Freedom:
Biden hätte die Besatzung Palästinas beenden können, indem er Ersatzteile für F-16 und F-35 stoppte.

Doch Bidens Selbstbeschreibung als Zionist und die Karriereambitionen seines Teams verhinderten dies.

Sprecher Matthew Miller habe monatelang über Hamas-Gräueltaten gelogen und Israels „Recht auf Selbstverteidigung“ verteidigt, während er später zugab, dass Netanyahu Friedensdeals sabotierte.

Die Demokraten hätten – trotz ihrer Abneigung gegen Netanyahu – dessen Koalition geschont, um die „Stabilität Israels“ zu wahren.

Das Ergebnis: Eskalation bis hin zu einem Krieg gegen den Iran, in den die USA hineingezogen wurden.

Blumenthal listete mehrere Massaker auf:

  • Nasser-Krankenhaus: Doppelschlag auf Journalisten
  • Maghazi-Lager: 250 Tote ohne militärisches Ziel
  • Nuseirat-Markt: 300 Tote bei der Rettung von 4 Geiseln

„Ich habe den Überblick über die Massaker verloren“, sagte er.

Palästinensische Gefangene seien gefoltert, ausgehungert und gedemütigt – teils Opfer sexueller Gewalt.

Demgegenüber berichtete Blumenthal von israelischen Geiseln wie Omar Shem Tov, der seine Hamas-Wächter küsste, weil sie ihn vor IDF-Bomben schützten.

„Die IDF zensiert solche Szenen, um das Hamas-Image als ‚Bestien‘ zu wahren.“

Die Menschlichkeit der Hamas: Ein Kontrast zur Propaganda

Blumenthal hob hervor, dass die Hamas ihre Gefangenen schützte, weil sie ihr einziger Verhandlungsspielraum seien.

Beispiel: Während eines Angriffs auf das Nuseirat-Lager warfen Hamas-Wächter Matratzen über Geisel Noa Argamani, um sie zu schützen, während sie selbst ungedeckt blieben.

Israelische Gefangene, oft Soldaten, durften ihre Familien anrufen – ein Zeichen von Disziplin und Kontrolle, das der westlichen Darstellung widerspricht.

„Die Hamas hatte keinen Grund, sie zu schädigen. Ihr politisches Überleben hängt von diesen Geiseln ab.“

Im Gegensatz dazu würden palästinensische Gefangene öffentlich erniedrigt und gefilmt, um Israels Überlegenheit zu demonstrieren.

Für Blumenthal zeigt dies den moralischen Bankrott Israels:

„Nicht ‚nie wieder‘, sondern ‚das muss wieder passieren‘.“

Prognose: Ein neuer Krieg am Horizont

Blumenthal sieht mehrere Warnsignale für eine baldige Wiederaufnahme der Gewalt:

  • IDF-Anweisungen: „Freies Feuer“ nach der Geisel-Freilassung
  • Netanyahus Krise: Unbeliebt, instabile Koalition – Krieg als Machterhalt
  • Proxy-Kämpfe: Milizen destabilisieren Gaza, provozieren Hamas
  • Trumps Schwäche: Kein Druck auf Israel, sondern Lob und Zugeständnisse

Er schätzt, dass die IDF innerhalb von Tagen oder Wochen erneut angreifen könnte – je nach Freilassung der Geiseln und politischem Druck in Israel.

„Trumps Nobel-Ambitionen könnten bremsen, aber ohne internationalen Druck ist Eskalation unvermeidlich.“

Fazit: Ein Schrei nach Gerechtigkeit

Blumenthals Analyse ist ein Aufschrei gegen das „Gaslighting“ westlicher Narrative.

Er sieht den Waffenstillstand als trügerisch, geprägt von verpassten Chancen, politischem Kalkül und moralischer Feigheit.

Gaza bleibe ein Opferfeld für Netanyahus Machterhalt und Trumps Imagepflege, während die Hamas trotz Verlusten Stärke und Disziplin zeige.

Ohne eine Einheitsregierung und internationale Kontrolle drohe ein neuer Krieg – mit Gaza als erstem Ziel.

„Trump muss Israels Füße ans Feuer halten“, fordert Blumenthal.
„Doch ich fürchte das Schlimmste.“