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Meta will Brille mit Gesichtserkennung ausstatten – trotz Datenschutzbedenken

Meta bereitet sich darauf vor, Gesichtserkennungstechnologie in seine Ray-Ban-Brillen zu integrieren – und das, obwohl das Unternehmen zuvor Datenschutzbedenken heruntergespielt hatte.

Laut einem Bericht von The Information vom Mittwoch arbeitet Meta aktiv an der Entwicklung einer Gesichtserkennungsfunktion für seine Ray-Ban-Brillen. Die Kombination von Gesichtserkennung mit Kameratechnologie ist zwar technisch machbar und für Tech-Konzerne wie Meta grundsätzlich möglich, wurde bisher jedoch nicht in der Öffentlichkeit eingeführt. Die Vorstellung, dass künftig jeder, der zufällig in Sichtweite einer Kamera ist, sofort identifiziert werden könnte – ob über eine Brille oder eine andere Kamera – wirft gravierende gesellschaftliche und ethische Fragen auf.

Dieser Schritt bedeutet eine deutliche Kehrtwende von Meta. Besonders bemerkenswert ist das deshalb, weil Meta heftig reagiert hatte, als ich im Oktober darüber berichtete, dass ein Studentenpaar Metas Ray-Ban-Brille mit handelsüblicher Gesichtserkennungssoftware kombiniert hatte. Das von den Studenten entwickelte Tool mit dem Namen I-XRAY erfasste Gesichter, nutzte den leicht zugänglichen Dienst PimEyes zur Identifikation und ging noch weiter: Es suchte online nach zusätzlichen Informationen über die Person – darunter auch Adresse und Telefonnummer.

Als ich Meta um eine Stellungnahme bat, antwortete Unternehmenssprecher Dave Arnold per E-Mail mit einer Gegenfrage:
„Diese PimEyes-Gesichtserkennung kann doch mit JEDER Kamera genutzt werden, oder? Mit anderen Worten: Das ist nichts, was spezifisch mit der Meta-Ray-Ban möglich wäre, oder? Wenn ja, sollte das im Artikel unbedingt erwähnt werden.“

Das ist korrekt. Doch diese Aussage geht an der entscheidenden Frage vorbei: Warum haben die Studenten ihr Tool ausgerechnet mit Metas Brille entwickelt? In einem Demo-Video erklärten sie selbst, dass sie damit Dutzende Menschen ohne deren Wissen identifizierten – mithilfe einer Brille, die aussieht wie jede andere. Zwar verfügen Metas Brillen über ein Licht, das bei Aufnahmen leuchtet, doch laut dem neuen Bericht stellt Meta infrage, ob künftige Modelle dieses Signallicht noch benötigen.

Ich antwortete Arnold entsprechend: „Ja, das Tool könnte theoretisch mit jeder Kamera funktionieren. Aber sie haben sich eben keine GoPro an den Körper geschnallt – das hätte den verdeckten Charakter des Projekts konterkariert. Sie nutzten stattdessen eine smarte Brille von Meta.“

Wir veröffentlichten den Artikel unter dem Titel: „Jemand hat Metas Smartbrille mit Gesichtserkennung ausgestattet, um Fremde sofort zu doxen.“ Arnold störte sich daran.

„Ich habe den Artikel gelesen und finde, dass die Überschrift irreführend ist. Sie lässt vermuten, dass jemand die Brille gehackt oder direkt Gesichtserkennung auf dem Gerät installiert hat. Tatsächlich aber wurde ein Livestream von der Brille zu Instagram übertragen, der dann von einem Programm überwacht wurde. Das ist ein erheblicher Unterschied. Könnte man die Überschrift so anpassen, dass sie diesen Unterschied berücksichtigt?“

Ich habe weder die Überschrift noch den Artikel geändert – denn der Unterschied ist aus meiner Sicht bedeutungslos. Ob die Software in der Brille, auf der Brille oder über die Brille genutzt wird, ändert nichts am Ergebnis. Und das Projekt wurde nun einmal mit Metas Produkt durchgeführt.

Arnold ließ es zunächst dabei bewenden. Später veröffentlichten wir eine Podcast-Folge über das Tool der Studenten. Auch hier äußerte er Bedenken – diesmal zur Podcast-Überschrift: „Die Smartbrille, die Fremde doxt.“

Arnold schrieb:

„Sie sagen im Podcast, dass die Brille selbst keine Gesichtserkennung besitzt, und haben eingeräumt, dass das Ganze mit jeder Kamera hätte durchgeführt werden können. Aber die Überschrift suggeriert, dass es sich um ein spezifisches Problem dieser Brille handelt – oder dass die Gesichtserkennung direkt auf der Brille läuft. Tatsächlich fand die Analyse auf einem Laptop statt. Die Studenten haben auch öffentlich erklärt: ‚Wir wollen Meta nicht kritisieren – wir hatten die Brille nur gerade zur Hand. Man hätte das genauso gut mit einer Handykamera machen können.‘ Ich weiß, wir werden hier nicht in allem übereinstimmen, aber Sie können sicher nachvollziehen, dass solche Überschriften irreführend sind.“

Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Es ist mir auch egal, ob die Studenten das Projekt nicht als Kritik an Meta verstanden haben. Fakt ist: Sie haben ein Doxing-Tool mit Metas Brille gebaut, es an ahnungslosen Passanten ohne deren Zustimmung getestet und sich ganz bewusst für diese Brille entschieden – weil sie damit unauffälliger Gesichter scannen konnten als mit einem Handy. Die intellektuelle Unehrlichkeit, mit der hier alles zur Verteidigung der Marke relativiert wird, ist beschämend.

Ich antwortete: „Wir finden die Überschrift fair und korrekt.“

Am Donnerstag kontaktierte ich Arnold erneut, um auch für diesen Artikel eine Stellungnahme einzuholen. Ich fragte, ob seine frühere Aussage, dass es sich nicht um ein spezifisches Meta-Problem handle, noch gelte – und was Meta im aktuellen Bericht von The Information gesagt habe.

Arnold antwortete:

„Die frühere Berichterstattung von 404 Media implizierte fälschlicherweise, dass das Experiment der Studenten nur mit einer Ray-Ban-Meta-Brille möglich war – obwohl die Studenten selbst erklärten, dass man das auch mit einer Handy-Kamera hätte machen können. Unser Einwand bleibt bestehen.“