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Nahostkrieg: Nächste Schritte für Israel – und wird der Iran die Straße von Hormuz blockieren?

John Kemp, KempEnergy.com

Die Vereinigten Staaten haben sich teilweise von der israelischen Militäroperation distanziert, indem sie die Angriffe als „einseitige Aktion“ bezeichneten und betonten, dass die USA „nicht daran beteiligt“ gewesen seien. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten ein gewisses Maß an Vorkenntnis über die Operation hatten. Laut Washington Post unterzeichnete Netanjahu am Montag den Befehl zur Durchführung des Angriffs – am selben Tag telefonierte er mit Präsident Trump. Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass das Thema beim Gespräch am 9. Juni zumindest in groben Zügen angesprochen wurde. In den Tagen danach reduzierten die USA ihre diplomatische und militärische Präsenz in der Region, um ihre Verwundbarkeit gegenüber möglichen Vergeltungsmaßnahmen zu minimieren.

Auch die britische Marinewarnstelle UKMTO veröffentlichte am 11. Juni eine ungewöhnlich klare Warnung an die Schifffahrt in der Region: „UKMTO wurde über die steigenden Spannungen in der Region informiert, die zu einer Eskalation militärischer Aktivitäten führen könnten, welche sich direkt auf Seeleute auswirken. Schiffen wird empfohlen, den Arabischen Golf, den Golf von Oman und die Straße von Hormuz mit äußerster Vorsicht zu befahren.“ Angesichts des engen geheimdienstlichen und diplomatischen Austauschs zwischen Israel, den USA, dem Vereinigten Königreich und den europäischen Verbündeten ist ein gewisses Maß an Vorwissen sehr wahrscheinlich. Die diplomatischen Schritte und Schiffswarnungen deuten stark darauf hin, dass die Vereinigten Staaten im Vorfeld informiert waren – auch wenn keine genauen Angaben über Zeitpunkt, Zielwahl oder operativen Ablauf gemacht wurden.

Es ist unwahrscheinlich, dass Israel die USA offiziell um Unterstützung bat oder dass Washington ein formelles grünes Licht gab. Damit wird den Vereinigten Staaten eine gewisse „plausible Bestreitbarkeit“ ermöglicht. Israel hätte den Angriff jedoch kaum gestartet, wenn es nicht davon ausgegangen wäre, dass die USA und ihre europäischen Verbündeten die Operation nachträglich stillschweigend billigen würden – insbesondere indem sie helfen, iranische Vergeltungsmaßnahmen abzufangen oder zu begrenzen.

Die offizielle Haltung der USA zu den Angriffen ist bislang eindeutig: Sie distanzieren sich in der Rhetorik und stellen den Konflikt als bilateralen Streit zwischen Israel und dem Iran dar, um Gegenschläge gegen amerikanisches Personal, Einrichtungen oder Interessen in der Region zu vermeiden. Doch obwohl Washington sich diplomatisch abgrenzt, hat es die Angriffe nicht verurteilt und wird Israel vermutlich helfen, sich gegen unvermeidliche iranische Vergeltung zu verteidigen. Bisher betonen die USA und ihre europäischen Partner, dass ihre Unterstützung „defensiv“ sei, nicht „offensiv“. Ziel scheint es zu sein, eine Eskalation zu begrenzen, Raum für Verhandlungen zu schaffen, die Feindseligkeiten zu beenden und die Gespräche über das iranische Atomprogramm wieder aufzunehmen.

In Reaktion auf die Angriffe könnte der Iran die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) abbrechen und den Atomwaffensperrvertrag (NVV) aussetzen oder verlassen. Teheran hat in der Vergangenheit mehrfach angedroht, bei Angriffen auf seine Nuklearanlagen den NVV zu verlassen. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass man keine politische Notwendigkeit mehr sieht, an einem Vertrag festzuhalten, während man militärisch attackiert wird. Ein Rückzug aus dem NVV wäre ein symbolischer Akt mit hoher Öffentlichkeitswirkung – und würde zugleich den USA und Europa diplomatische Kosten für ihre Unterstützung Israels auferlegen.

Ebenso wahrscheinlich ist, dass der Iran die Gespräche mit den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland über sein Atomprogramm aussetzt oder endgültig beendet. Aus Sicht Teherans bestand der Zweck dieser Verhandlungen immer darin, einen Militärschlag gegen seine Anreicherungsanlagen zu verhindern. Sollte Washington nicht garantieren, Israel von weiteren Angriffen abzuhalten, wird der Iran kaum Interesse an einer Wiederaufnahme der Gespräche haben.

Luftangriffe und Diplomatie

Wie militärisches und diplomatisches Vorgehen gegen das iranische Atomprogramm künftig ineinandergreifen, ist unklar. Derzeit dominiert die militärische Linie – diplomatische Gespräche wurden bereits abgesagt. Israel vertrat stets die Ansicht, dass Verhandlungen allein keine wirksame Barriere gegen das iranische Atomprogramm seien und nur militärische Gewalt Teheran stoppen könne. Die Strategie hat sich nun offensichtlich vom diplomatischen zum militärischen Ansatz verschoben.

Befürworter der Militäroption werden argumentieren, dass militärischer Druck parallel zu Verhandlungen eingesetzt werden könne. Inmitten eines Angriffskriegs lasse sich eher ein Abkommen erzielen, das für Israel und die USA vorteilhaft sei. Ein geschwächter Iran könne gezwungen werden, größere Zugeständnisse zu machen, um das Überleben des Regimes zu sichern. Die Botschaft lautet: entweder ein schlechter Deal, der die Bomben stoppt – oder weiter bombardiert werden. Israels Militäreinsatz erscheint somit auch als Instrument zur Erzeugung von Druck – ganz im Sinne der „harten Verhandlungstaktik“ wie sie in Trumps The Art of the Deal beschrieben ist.

Zudem ersetzt Israels Militärstrategie gewissermaßen das bisherige Modell: Statt Verträge mit Sanktionen durchzusetzen, setzt man auf wiederholte Militärschläge gegen Anreicherungsanlagen und Raketentechnik. Selbst wenn kein Abkommen zustande kommt, könnten häufige Luftangriffe die nukleare Aufrüstung verlangsamen oder stoppen. Und falls ein Abkommen entsteht, hat Israel ein neues Paradigma geschaffen: Verstöße werden militärisch – nicht wirtschaftlich – geahndet.

Die anfängliche Reaktion der Trump-Administration auf die israelische Offensive war bewusst vage. Doch sie wird sich bald entscheiden müssen: Unterstützt sie Israels Strategie als Ersatz für Diplomatie – oder als Instrument, um Verhandlungen unter Beschuss zu erzwingen? Israels Offensive zwingt Washington zu einer Entscheidung – ein „griechischer Krisenmoment“, in dem die Richtung bestimmt werden muss. Einige in der Regierung werden diese Zuspitzung begrüßen, andere dem Präsidenten vorwerfen, dass er durch Israels Alleingang in eine strategische Zwangslage geraten ist.

Dominanz der Eskalation

Die iranischen Optionen zur Vergeltung sind beschränkt. Drohnen sind langsam und haben zu geringe Reichweite, ballistische Raketen sind unpräzise und tragen zu wenig Sprengkraft, um großen Schaden anzurichten. Die wichtigsten Verbündeten Teherans – Hisbollah, Assad-Regime, Hamas – wurden neutralisiert und sind militärisch kaum handlungsfähig.

Israels wiederholte Operationen (Attentate, Sabotageakte, Luftangriffe) zeigen, wie tief die israelischen Geheimdienste in die iranischen Strukturen eingedrungen sind. Der Iran ist kaum in der Lage, seinen Luftraum zu verteidigen – die Luftabwehr gilt seit Jahren als veraltet und ineffektiv. Die Angriffe 2024 zielten gezielt auf diese Schwachstelle und ebneten den Weg für künftige Luftoperationen.

Man kann die israelischen Operationen von 2024 und 2025 als „Doppelschlag“ betrachten: Der erste schwächte die Abwehr, der zweite nutzt die Lücke. Israel hat militärisch und diplomatisch effektiv vorbereitet – schwache Luftabwehr, US-Schutzgarantie, durchdrungene Kommandoebene im Iran, diplomatische Rückendeckung durch die USA und passive Billigung der Europäer. Daraus ergibt sich eine faktische Eskalationsdominanz.

Diese Dominanz ermöglichte es Israel, zunehmend offensiv vorzugehen – während der Iran nach dem Tod von General Qasem Soleimani 2020 keine wirksame Reaktion zeigen konnte. Auch danach blieb der Iran passiv, während seine Verbündeten in Gaza, Syrien, Libanon geschwächt wurden. Israels Eskalationsleiter stieg weiter – Irans Reaktionsmöglichkeiten blieben begrenzt. Trotz martialischer Rhetorik gilt der Iran zunehmend als zahnloser Papiertiger.

Die iranische Führung ist risikoscheu, strategisch gehemmt, politisch eingeschränkt. Um offenen Krieg zu vermeiden, vermied man Reaktionen – mit dem Resultat schwindender Einflusszonen, schwacher Verteidigung und schrumpfender Optionen. Israels Strategie wurde in dem Maß offensiver, wie Irans Schwäche offenbar wurde.

Die iranische Verteidigungsdoktrin basierte auf „Tiefe“ – das Verlegen der Konfliktzonen ins Ausland (Irak, Syrien, Libanon, Jemen). Doch außer im Jemen wurden alle pro-iranischen Kräfte neutralisiert. Der israelisch-iranische Schattenkrieg verlagerte sich allmählich auf iranisches Territorium. Die Raketen- und Drohnengefechte 2024 machten den Krieg öffentlich und deutlich: Israel führt – nicht Teheran.

Bedrohung in der Straße von Hormuz

Seit Langem gilt die Drohung, den Ölverkehr in der Straße von Hormuz zu blockieren, als Irans letzte Eskalationsoption. Doch sie hat an Glaubwürdigkeit verloren. Israel und die USA demonstrieren ihre Dominanz und zeigen, dass der Iran faktisch keine durchsetzbaren Optionen hat.

Im Extremfall könnte der Iran Tanker angreifen und kurzfristig den Schiffsverkehr unterbrechen. Doch die USA würden mit Konvois reagieren – ein Angriff auf diese Kriegsschiffe bedeutete offenen Krieg mit den Vereinigten Staaten. Genau das will Teheran laut seinem bisherigen Verhalten vermeiden.

Die UKMTO-Warnung am 11. Juni – zwei Tage vor dem israelischen Angriff – reduzierte die Anzahl der zivilen Schiffe im Gefahrenbereich. Die USA distanzierten sich offiziell von Israels Aktion, um Iran symbolisch Raum für direkte, begrenzte Vergeltung gegen Israel zu lassen – ohne den Westen in den Krieg hineinzuziehen. Das ist diplomatische Fiktion – aber eine möglicherweise nützliche. Washington hofft, dass Irans Führung diese akzeptiert.

Auch Saudi-Arabien hat Israels Angriff verurteilt – nicht aus Solidarität mit Teheran, sondern um sich selbst zu schützen. Angesichts der Isolation Irans ist es unwahrscheinlich, dass dieser Öltransporte angreift, die aus Saudi-Arabien oder anderen Golfstaaten stammen.

Eine Eskalation durch Blockade der Straße von Hormuz wäre zwar denkbar, aber untypisch für Teherans kalkulierende Führung. Nur wenn sich die Herrschaft bedroht sieht, könnte man zu solch drastischen Maßnahmen greifen. Vorerst erscheint das unwahrscheinlich.


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