Russland verschärft seinen Kurs gegen digitale Freiheiten. Die staatliche Aufsichtsbehörde Roskomnadzor hat in den vergangenen Wochen eine neue Welle der Repression gegen VPN-Anwendungen gestartet und Google mit Entfernungsaufforderungen regelrecht überflutet. Zwischen dem 12. März und dem 1. April wurden insgesamt 214 Anträge gestellt, die sich auf 212 verschiedene VPN-Apps im Google Play Store beziehen – das entspricht mehr als 90 Prozent aller App-Löschanfragen an Google in diesem Zeitraum.
Trotz des massiven Drucks zeigt Google bislang Zurückhaltung. Nach Daten der Zensurbeobachtungsstelle GreatFire wurden lediglich sechs der betroffenen 212 Apps tatsächlich aus dem Play Store entfernt. Das deutet auf eine bislang vergleichsweise standhafte Haltung gegenüber den weitreichenden Forderungen aus Moskau hin.
Die Zensurkampagne begann mit 47 Löschanträgen am 12. März, woraufhin GreatFire eine umfassende Analyse im Rahmen ihres App-Zensur-Projekts durchführte. Von 399 untersuchten VPN-Anwendungen waren zum Zeitpunkt der Erhebung noch 346 – also rund 87 Prozent – im russischen Play Store verfügbar. Die Entfernung der restlichen 13 Prozent zeigt jedoch, dass Google nicht gänzlich immun gegen politischen Druck agiert.
Insgesamt sind aktuell 53 der analysierten VPN-Apps in Russland nicht mehr zugänglich. Von den sechs konkret entfernten Apps aus der Liste der 212 Zielobjekte verschwanden zwei bereits 2023, eine im Sommer 2024. Bei den übrigen drei ist der Zeitpunkt des Verschwindens unklar. Hinzu kommen sechs VPN-Apps, die mittlerweile weltweit aus dem Play Store gelöscht wurden – Gründe und Zeitpunkte bleiben bislang unbekannt.
Neben den offiziell angegriffenen VPN-Anwendungen identifizierte GreatFire weitere 47 VPNs, die ohne erkennbare Verbindung zu den jüngsten Takedown-Anträgen nicht mehr verfügbar sind. 20 dieser Apps waren bereits Anfang 2024 oder früher verschwunden.
Doch die Maßnahmen beschränken sich nicht nur auf mobile Anwendungen: Auch die Google-Suche wird zunehmend Ziel der Zensur. Im Rahmen des russischen „VPN-Gesetzes“ forderte Roskomnadzor in einem Schreiben vom 10. März die Entfernung von über 40.600 URLs. Nur gut zwei Wochen später folgte eine weitere Anordnung mit über 43.000 zusätzlichen Löschforderungen.
Diese Zensur betraf nicht nur VPN-bezogene Inhalte. Laut GreatFire richteten sich die Maßnahmen auch gegen Inhalte über den Krieg in der Ukraine, gesellschaftliche Themen, sowie sogar Poesie und Musiktexte – ein deutliches Zeichen für den umfassenden Versuch, die Informationshoheit im digitalen Raum vollständig unter staatliche Kontrolle zu bringen.