Arnaud Bertrand
Kaum sind die jüngsten US-chinesischen Gespräche in London beendet, kündigt das Pentagon eine Überprüfung an, ob die USA AUKUS – das Sicherheitsbündnis mit Australien und Großbritannien – weiterführen sollten. Der Zeitpunkt wirft Fragen auf. Zwar betrafen die Gespräche offiziell den Handel, nicht Verteidigung, doch der Zufall bleibt bemerkenswert: Unmittelbar nach diplomatischem Austausch mit China denkt man in Washington laut über das Ende eines explizit gegen China gerichteten Bündnisses nach.
AUKUS – von Anfang an umstritten
Zur Erinnerung: AUKUS entstand 2021, als Australien ohne Vorwarnung einen 66-Milliarden-Dollar-Deal mit Frankreich über den Kauf konventioneller U-Boote kündigte, um stattdessen US-Atom-U-Boote zu erwerben. Inzwischen ist bekannt: Der damalige britische Premier Boris Johnson drängte US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel 2021 zu einem geheimen Verteidigungsabkommen mit Australien – aus persönlichem Groll gegen Emmanuel Macron, den er verdächtigte, den Zustrom von Flüchtlingsbooten über den Ärmelkanal als „Rache für den Brexit“ nicht zu unterbinden.
Johnson brüstet sich in seinen Memoiren damit, dass er den Deal durchsetzte – ein politisches Manöver mit geopolitischen Folgen. Was als britisch-amerikanischer Affront gegen Frankreich begann, wurde rasch zu einem explosiven Hebel gegen China.
Das große Versprechen – und seine Implosion
Doch nun deutet sich an: Die versprochenen US-U-Boote werden niemals geliefert. Der US-Kongress räumte Ende 2024 selbst ein, dass die amerikanische Werftindustrie so schwach sei, dass sie kaum den Eigenbedarf decken könne – geschweige denn Australiens. Um AUKUS zu erfüllen, müsste die US-Rüstungsindustrie jährlich 2,33 U-Boote produzieren. Derzeit schafft sie nicht einmal 1,2. Ein Export an Australien würde daher bedeuten, dass die eigene Flotte geschwächt wird – ein Bruch mit der US-Militärdoktrin.
Die USA stehen vor einem Dilemma: Entweder sie kippen AUKUS – und riskieren damit einen außenpolitischen Gesichtsverlust – oder sie setzen es fort und schwächen die US-Marine. Der wahre Grund: die industrielle Kapitulation Amerikas.
NATO lässt grüßen: Große Versprechen, leere Magazine
Dieses Muster ist nicht neu. Auch die NATO hat sich bei der Ukraine in ähnlicher Weise übernommen. NATO-Generalsekretär Mark Rutte musste jüngst zugeben: Russland produziert in drei Monaten mehr Munition als die gesamte NATO in einem Jahr. Kein Wunder also, dass die Ukraine auf Guerilla-Taktiken zurückgreifen muss – wie es sonst nur materiell unterlegene Rebellen tun.
Und nun? Der „Plan B“ aus Washington
Was also tun, wenn man nicht liefern kann? Washington greift zu bewährter Taktik: Umetikettieren. Aus einem gebrochenen Versprechen wird „America First“ – während die Verbündeten die Kosten tragen.
Ein aktueller Kongressbericht empfiehlt genau das:
- Die USA behalten alle U-Boote unter eigener Kontrolle, stationieren sie aber in Australien.
- Australien zahlt – für Drohnen, Marschflugkörper, B-21-Bomber und andere weitreichende Systeme.
- Diese sollen dann militärische Missionen „für Australien und die USA“ durchführen.
Das Resultat:
- Australien hat null Kontrolle über die in seinem Land stationierten U-Boote.
- Es investiert Milliarden in amerikanisches Offensivgerät, das nicht zur Verteidigung Australiens, sondern zur Durchsetzung amerikanischer Interessen dient.
- Es übernimmt militärische Aufgaben für die USA – was in Militärbündnissen äußerst unüblich ist.
De facto wird Australien also zum zahlenden Außenposten des US-Militärs, ohne eigene operative Kontrolle.
Australien im Widerstand: Ehemalige Spitzenpolitiker schlagen Alarm
AUKUS war schon vorher umstritten – doch nun bröckelt die Fassade.
Ehemalige australische Regierungsvertreter äußern sich ungewöhnlich scharf:
- Malcolm Turnbull (Premier 2015–2018): „Wie irgendjemand glauben konnte, das sei ein kluger Deal, ist mir völlig unbegreiflich.“
- Paul Keating (Premier 1991–1996): nannte AUKUS „das schlimmste Abkommen der Geschichte“ und warnte, es könne Australien in den „51. US-Bundesstaat“ verwandeln.
- Gareth Evans (Ex-Außenminister): sprach von einer „der schlechtesten verteidigungs- und außenpolitischen Entscheidungen aller Zeiten“.
- Bob Carr (ebenfalls Ex-Außenminister): nannte AUKUS „duftenden, in Methan verpackten Schwachsinn“.
Und das alles, bevor bekannt wurde, dass Australien wahrscheinlich nie ein einziges U-Boot erhalten wird.
AUKUS – ein Lehrstück über die Abhängigkeit vom Imperium
Ob AUKUS nun eingestellt wird oder nicht – der Schaden ist da. Australien hat Milliarden investiert, nur um jetzt zu erkennen, dass Washington nicht liefern kann.
Wie bei der NATO zeigt sich: Sich auf die USA zu verlassen, ist strategisch riskant. Die „Verbündeten“ bleiben mit den Kosten und der Abhängigkeit zurück – während in Washington zwischen Lippenbekenntnissen und industrieller Realität eine Kluft klafft.
Fazit:
Das Ende der US-Hegemonie kommt nicht mit einem Knall, sondern mit dem Wimmern zerplatzter Versprechen.
AUKUS ist nicht nur ein außenpolitischer Rohrkrepierer – es ist ein Symbol für den Niedergang amerikanischer Machtprojektion. Und für die bittere Erkenntnis, dass diejenigen, die sich auf Washington verlassen, am Ende die Zeche zahlen.