Andrew Korybko
Zelensky veröffentlichte am Samstagnachmittag einen Tweetstorm, der mehr als ein Dutzend Absätze umfasste – ein wütender Rundumschlag, der in seiner Gesamtheit deutlich macht: Der ukrainische Präsident ist in Panik.
Er fordert weitere Sanktionen gegen den russischen Banken- und Energiesektor, beklagt den „warmen“ Ton im amerikanisch-russischen Dialog, zeigt sich besorgt über Kürzungen bei der US-Hilfe, schimpft über den russischen militärisch-industriellen Komplex und wehrt sich gegen Vorwürfe, Russen, russischsprachige Menschen und russisch-orthodoxe Christen zu unterdrücken. Die Aufzählung seiner Reizthemen lässt erkennen: Zelensky fühlt sich zunehmend in die Enge getrieben.
Sein erster Punkt bezieht sich auf die Forderung nach massiven Sanktionen – konkret auf einen Gesetzesentwurf, der 500 % Zölle auf Importe von Energie aus Russland vorsieht. Diese Maßnahme würde auch Chinas und Indiens Energieeinkäufe treffen, sofern keine Ausnahme gemacht wird – was wohl nur für EU-Staaten gilt, die Trumps Anforderungen an höhere Verteidigungsausgaben erfüllen. Politico warnte, ein solcher Schritt könnte sich als Bumerang für die USA erweisen, während das Finanzministerium erklärte, es würde diplomatische Initiativen untergraben. Kein Wunder also, dass Zelensky nervös wird.
Seine Beschwerde über den „warmen“ Ton der amerikanisch-russischen Gespräche bezieht sich unmittelbar auf die freundschaftliche Beziehung zwischen Trump und Putin – kürzlich wieder sichtbar, als Putin Trump zu seinem Geburtstag gratulierte und dabei auch über den israelisch-iranischen Krieg sprach. Ob Trump den NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland fortführt oder sich zurückzieht, ist offen – doch Zelenskys panischer Ton deutet darauf hin, dass er Letzteres für möglich hält.
Der dritte Punkt dreht sich um die angekündigte Kürzung der US-Hilfsgelder. Zwar ist noch nicht bekannt, wie hoch diese ausfallen werden, und grundsätzlich bleibt eine Notfinanzierung möglich – wie 2022 unter Biden geschehen –, doch für Zelensky ist klar: Trump wird kaum geneigt sein, die Ukraine nochmals großzügig zu unterstützen. Diese Sorge wirkt berechtigt angesichts der politischen Stimmung in Washington.
Sein vierter Punkt ist der am wenigsten kontroverse: Die militärische Überlegenheit Russlands in Sachen Logistik und Materialproduktion ist selbst der New York Times zufolge unbestritten. Zelensky warnt erneut vor einer möglichen russischen Invasion in NATO-Gebiet, doch diese Drohung zieht im Westen kaum noch. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ausreicht, um neue milliardenschwere Unterstützungspakete zu rechtfertigen.
Der fünfte und letzte Punkt ist die Reaktion auf russische Vorwürfe, die Ukraine unterdrücke ethnische Russen, russischsprachige Bürger und die russisch-orthodoxe Kirche. Anstatt die Vorwürfe mit Fakten zu entkräften, reagiert Zelensky rein rhetorisch – er weicht inhaltlich aus. Das wirkt schwach, wenn nicht sogar wie ein stilles Eingeständnis. Seine Sorge: Wenn Trump wirklich den Friedensweg einschlagen will, könnten die USA Kiew dazu zwingen, genau jene innenpolitischen Forderungen umzusetzen, die Russland im Rahmen seiner „Entnazifizierungs“-Narrative stellt.
Der Tweetstorm zeigt deutlich, wie angeschlagen Zelensky politisch ist – besonders seit dem russischen Vormarsch bis nach Dnipropetrowsk. Selbst wenn nur ein Teil seiner Befürchtungen Realität wird – etwa ein Rückgang der US-Hilfe oder politischer Druck aus Washington zur Erfüllung russischer Bedingungen –, könnte der Krieg schneller enden als bisher angenommen. Nichts davon ist gewiss, aber das Szenario ist realistisch genug, um die Panik in Zelenskys Worten zu erklären.