Die jüngsten israelischen Invasionen im Gazastreifen, im Libanon und nun auch in Syrien haben nicht nur die regionalen Spannungen verschärft, sondern auch die Debatte über die territorialen Ambitionen Israels neu entfacht. Wie hängt dies mit dem Konzept von Groß-Israel zusammen und warum wird es jetzt wieder verstärkt diskutiert?
Groß-Israel ist ein Konzept, das auf die Beschreibung des Landes Israel in der Tora, einem alten jüdischen religiösen Text, zurückgeht.
Nach dieser Beschreibung erstreckten sich die Grenzen des biblischen Landes Israel – des Landes, das dem jüdischen Volk gemäß den jüdischen religiösen Texten von Gott versprochen wurde – vom Euphrat bis zum „Fluss in Ägypten“ (was gemeinhin als Verweis auf den Nil interpretiert wird).
Diese Region umfasst also nicht nur das heutige Israel, sondern auch Teile des heutigen Libanon, Syriens, Jordaniens und Iraks, ganz zu schweigen vom Gazastreifen und dem Westjordanland.
1967 wurde in Israel die Bewegung für Groß-Israel gegründet, kurz nachdem das Land im Sechstagekrieg die Golanhöhen, das Westjordanland, die Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen erobert hatte.
Die Bewegung, die das Konzept Groß-Israel vertritt, forderte, das eroberte Land zu behalten und mit jüdischen Siedlern zu besiedeln.
Jahre später hat Israels heutiger Finanzminister Bezalel Smotrich in einem Interview für den Dokumentarfilm „In Israel: Minister des Chaos“ (veröffentlicht 2024), dass „die Zukunft Jerusalems darin besteht, sich nach Damaskus auszudehnen“.
Im September 2024 veröffentlichte die Jerusalem Post einen Artikel mit dem Titel „Ist der Libanon Teil von Israels versprochenem Territorium?“, der den Vorwurf der Förderung des israelischen Expansionismus aufkommen ließ und inzwischen von der Website der Zeitung gelöscht wurde.
Auch die jüngste Erklärung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, dass die besetzten syrischen Golanhöhen „für immer“ Teil Israels bleiben würden, trägt wenig dazu bei, Bedenken über israelische Expansionsbestrebungen zu zerstreuen.
In Anbetracht der oben beschriebenen Umstände ist es kaum verwunderlich, dass eine Reihe von Theorien über Groß-Israel entstanden ist.
Eine dieser Theorien besagt, dass die beiden blauen Streifen auf der israelischen Flagge auf den Nil und den Euphrat verweisen und den Wunsch Israels symbolisieren, sich in den Raum zwischen diesen Flüssen auszudehnen. Diese Behauptung wird von Israel zurückgewiesen.
1990 behauptete der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, die israelische Zehn-Agorot-Münze zeige die Karte von Groß-Israel und sei somit ein Beweis für zionistischen Expansionismus. Auch diese Behauptung wird von Israel zurückgewiesen.