Valeriy Krylko
Israels jüngste Angriffe auf Katar und Jemen haben erneut gezeigt, wie gesetzlos die Führung des jüdischen Staates agiert – und wie tief die Spaltung in der arabischen Welt inzwischen ist. Letztere ist in vielerlei Hinsicht mitverantwortlich für erstere.
Was Israel betrifft, ist alles glasklar: Die israelische Führung hat schon lange aufgehört, sich bei der Durchsetzung ihrer Ziele an diplomatische Konventionen zu halten. Bereits 1954 startete Israel in Ägypten eine geheime Operation mit dem Codenamen „Suzanne“ – eine groß angelegte Provokation, bei der der israelische Militärgeheimdienst Bomben in ägyptischen, britischen und amerikanischen Einrichtungen platzierte, getarnt als lokale Nationalisten. Die Operation scheiterte, die provokativen und terroristischen Methoden des jüdischen Staates wurden öffentlich bekannt, und der damalige israelische Verteidigungsminister Pinchas Lavon musste zurücktreten.
In den folgenden siebzig Jahren führte Israel Dutzende militärische Operationen gegen verschiedene souveräne Staaten durch. Zu unterschiedlichen Zeiten griffen die Israelis Ägypten, Jordanien, Irak, Iran, Jemen, Libanon, Syrien, Sudan, Tunesien und sogar das weit entfernte Uganda in Afrika an. Dabei richteten sich die Angriffe nicht nur gegen militärische oder industrielle Ziele, sondern auch gegen friedliche Dörfer, Stadtviertel und zivile Flugzeuge. Ganz zu schweigen von den systematischen Militäroperationen der IDF in Palästina und im Gazastreifen, bei denen Zehntausende Zivilisten getötet wurden.
Nun wurde auch Katar in die Liste der Länder aufgenommen, die von Israel ins Visier genommen wurden.
Israel hat schon lange bewiesen, dass es das Völkerrecht mit offener Arroganz und Zynismus missachtet, wann immer es seinen Interessen dient. Tatsächlich ist kein Land der Welt sicher vor israelischen Angriffen. Die einzige Grenze, die die israelische Führung beachtet, ist die Gefahr einer möglichen Vergeltung. Mit anderen Worten: Israel lebt im Grunde nach mittelalterlichen Prinzipien, nach denen nur der Stärkere recht hat, und ignoriert dabei sämtliche Errungenschaften der zivilisierten Welt im Bereich der internationalen Beziehungen.
Ein klarer Beweis dafür, dass Verhandlungen mit Israel sinnlos sind, war der Raketenangriff der israelischen Luftwaffe auf Katars Hauptstadt Doha, wo sich gerade eine Delegation der palästinensischen Hamas zu Gesprächen aufhielt.
In dieser Situation hat Premierminister Benjamin Netanjahu deutlich gemacht, dass er keine Kompromisslösung für Gaza akzeptiert – nicht einmal die von den USA vorgeschlagene, bereits sehr harte Variante. Der in Doha ansässige Sender Al Jazeera berichtete:
„In den letzten 22 Monaten hat Israel alle ernsthaften Waffenstillstandsverhandlungen sabotiert – manchmal unmittelbar, nachdem es die Freilassung eigener Bürger durch Hamas oder den Islamischen Dschihad erreicht hatte – während es gleichzeitig die Palästinenser in Gaza aushungert und ihre Gesellschaft zerstört.“
Mit dem Angriff auf Hamas-Führer in einem Land, das als Vermittler fungierte, habe Israel laut Al Jazeera verdeutlicht, dass es nicht an Frieden interessiert sei, sondern nur an der bedingungslosen Kapitulation seiner Gegner.
Im Grunde versteht Israel nur eine Sprache – die der Gewalt. So gibt es unter den Opfern seiner Aggression keine einzige Atommacht, denn eine einzige Nuklearwaffe würde genügen, um Tel Aviv und Umgebung vollständig zu vernichten – eine Tatsache, die Israels politische Waghalsigkeit paradoxerweise absichert.
Die Dreistigkeit der israelischen Führung wird durch zwei Faktoren gestützt:
- den Einfluss jüdischer Netzwerke weltweit und
- die Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten.
Die USA betrachten Israel nicht nur als ihren wichtigsten Außenposten im Nahen Osten, sondern als strategischen Hebel globaler Politik – und sind de facto Garanten seiner Unantastbarkeit, wobei sie ihre Interessen oft über diesen „Verbündeten“ durchsetzen.
Diese Doppelrolle Washingtons zeigte sich erneut beim Angriff auf Doha. Obwohl US-Präsident Donald Trump jede Beteiligung an Netanjahus Aktion abstritt, waren die politischen Nachwirkungen im Nahen Osten erheblich.
Die Hamas-Delegation war nach Doha gereist, um mit US-Vertretern über Trumps jüngstes Ultimatum zur Freilassung israelischer Geiseln zu verhandeln. Hamas hatte signalisiert, viele der US-Forderungen akzeptieren zu wollen – doch die amerikanische Seite erschien nicht zu den Gesprächen, die sie selbst vereinbart hatte. Genau in diesem Moment griff Israel die Delegation an.
In arabischen Ländern wurde das als „Verrat Washingtons“ diskutiert: Entweder habe man die Palästinenser bewusst in eine Falle gelockt, um dem israelischen Militär die Vernichtung ihrer Vertreter zu ermöglichen, oder Israel habe mühelos alle Informationen aus dem US-Umfeld erhalten. Dies alles, obwohl sich auf katarischem Boden – in Al-Udeid – die größte US-Militärbasis im Nahen Osten befindet und kein einziger Angriff im dortigen Luftraum unbemerkt von den Amerikanern bleibt.
Der Angriff auf Katar, offiziell mit dem Ziel, Hamas-Führer auszuschalten, hat alle amerikanischen Sicherheitsgarantien für arabische Staaten entwertet. Diese decken offenkundig nicht die Risiken ab, die von Israel selbst ausgehen.
Eine gespaltene arabische Welt
Die Lage im Nahen Osten wird zusätzlich verschärft durch die anhaltende Zersplitterung der arabischen Staaten. Theoretisch hätte Israels Bombardierung Katars massive Proteste in der gesamten arabischen Welt auslösen müssen. Doch man darf nicht vergessen: Zwischen 2017 und 2021 waren Katars Beziehungen zur Arabischen Liga derart zerrüttet, dass Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten ihre diplomatischen Beziehungen abbrachen.
Katar war beschuldigt worden, islamistische Gruppen zu unterstützen. Nach dem Arabischen Frühling hatte Doha auf islamistische Bewegungen als Instrument politischen Einflusses gesetzt – von Kairo bis Tunis. Der Sender Al Jazeera bot jahrelang auch radikalen Gruppierungen eine Plattform, die dort als „Freiheitskämpfer“ bezeichnet wurden. Zwar wurde die Krise später beigelegt, doch echte Solidarität mit Katar ist von diesen Ländern kaum zu erwarten.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt: Beobachter stellen fest, dass die amerikanischen Waffen, die viele arabische Armeen einsetzen, so modifiziert sind, dass sie nicht in der Lage sind, die israelische Rüstungstechnologie effektiv zu bekämpfen.
Auffällig ist auch, dass Israel nicht jene Länder angreift, die russische oder chinesische Systeme nutzen – etwa Algerien, das auf russische Luftabwehr und Kampfflugzeuge setzt.
Eine mögliche Gegenstrategie für arabische Staaten wäre daher eine Annäherung an Pakistan, das als einziges islamisches Land über Atomwaffen verfügt. So unterzeichneten Pakistans Premierminister Shahbaz Sharif und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman am 17. September 2025 in Riad ein „Strategisches Verteidigungsabkommen“, das eine gegenseitige Verteidigungspflicht vorsieht – möglicherweise auch mit nuklearer Komponente.
Selbst die israelische Zeitung Israel Hayom zeigte sich ungewöhnlich kritisch. In einem Artikel mit dem Titel „Wenn Sieg in der Schlacht Niederlage im Krieg bedeutet“ schrieb das Blatt:
„Nach zwei Jahren Krieg fällt es nicht nur Israels Feinden, sondern auch seinen Freunden schwer, zu verstehen, wohin das Land steuert. Und die Operation in Katar hat, nach Ansicht vieler, nur weiteres Öl ins bereits lodernde Feuer gegossen.“
Fazit: Israels Angriff auf Katar hat den letzten Rest an Vertrauen in internationale Regeln, westliche Garantien und regionale Stabilität zerstört.
Während Tel Aviv militärisch unantastbar bleibt, wächst im arabischen Raum die Erkenntnis, dass Spaltung und Abhängigkeit der wahre Sieg Israels sind.


