In diesem Interview mit Judge Andrew Napolitano spricht der renommierte Politikwissenschaftler Prof. John Mearsheimer über die geopolitischen Spannungen zwischen den USA, Russland und Europa. Im Fokus steht die Frage, warum die amerikanische Außenpolitik jahrzehntelang Russlands Sicherheitsinteressen ignorierte und wie Donald Trump als Anomalie im politischen Establishment diese Strategie infrage stellt. Mearsheimer analysiert die Ursachen des Ukraine-Kriegs, die Rolle der NATO-Erweiterung sowie die dahinterstehende liberale Ideologie der USA. Zudem diskutieren die beiden die amerikanische Russophobie, die Angst Europas vor einem US-Rückzug und die ambitionierten Pläne Israels im Nahostkonflikt. Ein tiefgehendes Gespräch über Realismus in der internationalen Politik – und die Folgen, wenn Ideologie die Strategie ersetzt.
Transkript des Interviews zwischen Judge Andrew Napolitano und Professor John Mearsheimer
Judge Andrew Napolitano:
Hallo zusammen, Judge Andrew Napolitano hier für Judging Freedom. Heute ist Donnerstag, der 27. Februar 2025.
Professor John Mearsheimer wird gleich bei uns sein. Versteht Donald Trump die russische Denkweise?
Aber zuerst das hier:
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Judge Andrew Napolitano:
Professor Mearsheimer, willkommen! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen.
Realismus und Russland – das bedeutet, Russlands legitime Souveränitätsansprüche und berechtigte Sicherheitsbedenken anzuerkennen, ohne ideologische Voreingenommenheit.
Akzeptieren Sie diese Definition?
Prof. John Mearsheimer:
Auf jeden Fall!
Judge Andrew Napolitano:
Warum hat Amerika – bis Donald Trump kam – den Realismus abgelehnt? Warum ignoriert es Russlands Souveränität und dessen legitime Sicherheitsinteressen?
Prof. John Mearsheimer:
Zwei einfache Gründe:
- Die tief verwurzelte Russophobie im Westen, besonders in den USA.
– Die weitverbreitete Überzeugung, dass Putin für Trumps Wahlsieg 2016 verantwortlich war, treibt diese Russophobie an.
– Diese Feindseligkeit verstellt den klaren Blick auf die Realität. - Die Außenpolitik während der unipolaren Ära nach dem Kalten Krieg
– Die Ukraine-Krise wurde damals eingeleitet.
– Die US-Außenpolitik folgte keinem realistischen Ansatz, sondern einer liberalen Ideologie.
– Diese liberale Ideologie war expansionistisch, führte zu den „Endloskriegen“ und mündete in die Ukraine-Krise.
Das sind die beiden Schlüsselfaktoren.
Judge Andrew Napolitano:
Liegt das an der amerikanischen Überzeugung, dass wir anders, besser und moralisch überlegen sind?
Dass unser System das beste ist – und wir andere dazu zwingen müssen, es zu übernehmen?
Prof. John Mearsheimer:
Absolut!
Das grundlegende Ziel ist, die Welt nach unserem Vorbild umzugestalten.
– Wir sind die Guten.
– Wer kein liberales, demokratisches System wie wir hat, gehört zu den Bösen.
– Also müssen wir diese Bösen in Gute verwandeln, um dann glücklich und friedlich zusammenzuleben.
Judge Andrew Napolitano:
Hat diese Denkweise zu 900 US-Militärbasen weltweit und einem 900-Milliarden-Dollar-Verteidigungsbudget geführt?
Prof. John Mearsheimer:
Teilweise, ja!
Aber man muss bedenken, dass viele dieser Basen und der riesige Pentagon-Etat noch aus dem Kalten Krieg stammen.
Die entscheidende Frage war: Was tun wir nach dem Kalten Krieg?
– Die Sowjetunion brach zusammen, die USA wurden die mächtigste Nation der Welt.
– Wir hätten unsere Verpflichtungen reduzieren, Basen abbauen und weniger Geld für Verteidigung ausgeben können.
– Stattdessen folgten wir einer expansiven, liberalen Außenpolitik.
– Ergebnis: Mehr Basen, mehr politische Einmischung, mehr Militärausgaben.
Und das unter Republikanern und Demokraten gleichermaßen.
Judge Andrew Napolitano:
Donald Trump ist also die Ausnahme?
Prof. John Mearsheimer:
Genau!
– Er ist der Außenseiter.
– Deshalb sind so viele Republikaner und praktisch alle Demokraten über seine Russland- und Europapolitik empört.
– Normalerweise sind Republikaner und Demokraten „Tweedledee und Tweedledum“ – zwei Seiten derselben Medaille.
– Aber Trump bricht dieses Muster.
Judge Andrew Napolitano:
Hat der US-Staat die Ukraine-Krise 2014 durch einen Putsch mitverursacht?
Prof. John Mearsheimer:
Ja, und es war nicht nur die NATO-Erweiterung.
– Die US-Politik bestand aus drei Komponenten:
- NATO-Erweiterung
- EU-Erweiterung
- Farbrevolutionen (z. B. die „Orange Revolution“ in der Ukraine)
Die Idee war, eine pro-westliche, liberale Demokratie in der Ukraine zu installieren.
Judge Andrew Napolitano:
Denkt Emmanuel Macron wirklich, dass Russland Frankreich oder Großbritannien angreifen wird?
Prof. John Mearsheimer:
Nein!
– Das ist Angstmacherei, um die öffentliche Unterstützung für US-Präsenz in Europa aufrechtzuerhalten.
– Europa will die USA dort behalten, weil es die Lage stabilisiert.
Judge Andrew Napolitano:
Trump nennt Selenskyj einen Diktator, behauptet, er habe Biden 350 Milliarden abgeluchst – und dann spricht er über französische und britische Friedenstruppen in der Ukraine.
Hat er keine Ahnung, dass Putin das nie akzeptieren würde?
Prof. John Mearsheimer:
Hinter verschlossenen Türen weiß Trump genau, was Russland will.
– Er wird sich darauf einlassen.
– Aber in der öffentlichen Debatte redet er wild drauflos.
Judge Andrew Napolitano:
Warum hasst Amerika Russland so sehr?
Prof. John Mearsheimer:
Drei Hauptgründe:
- Erbe des Kalten Krieges.
- Glaube, dass Russland Trump 2016 geholfen hat.
- Russland ist konservativ und widerspricht westlichen Werten.
Judge Andrew Napolitano:
Will Netanyahu den Gaza-Waffenstillstand sabotieren?
Prof. John Mearsheimer:
Ja!
– Israels Endziel ist ethnische Säuberung.
– Ein dauerhafter Waffenstillstand wäre ein Hindernis.
Judge Andrew Napolitano:
Danke, Professor! Wir sehen uns nächste Woche.
Prof. John Mearsheimer:
Danke, bis dann