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Yuri Gripas/Reuters

Soll Russland den Krieg in die NATO-Staaten tragen?

Finian Cunningham

Der US-geführte Militärblock ist Konfliktpartei in der Ukraine gegen Russland. Kurz gesagt: die NATO ist mit Russland im Krieg. Warum also begrenzt Russland seine militärischen Ziele auf ukrainisches Gebiet?

Moskau hat wiederholt gesagt, dass der Stellvertreterkrieg in der Ukraine zwischen NATO und Russland zunehmend offensichtlicher wird, da die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten bis zu $100 Milliarden an Waffen in die ehemalige Sowjetrepublik pumpen. Über diese Situation muss man sich im Klaren sein.

Die Beteiligung der NATO wird immer stärker und organisierter. Vor nicht allzu langer Zeit bemühte sich die USA zu betonen, dass ihre Militärhilfe „rein defensiver Natur“ und „nicht tödlich“ sei. Das Nato-Mitglied Deutschland wurde verspottet, weil es seine Lieferung auf „Helme“ begrenzte.

Jetzt liefern die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten Raketen größerer Reichweite, Patriot Flugabwehrsysteme, die russische Kampfflugzeuge über russischem Luftraum abschießen können, und sie liefern schwere Kampfpanzer.

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov prahlte in einem BBC-Interview, dass die Ukraine de facto zu einem NATO-Mitglied geworden sei, aufgrund der Vielzahl der Waffen und Militärberater, die man aus der 28 Staaten-Organisation erhalten hat.

Reznikov sagte auch vor kurzem, dass die Ukraine als eine NATO-Mission dient, um Russland zu besiegen.

Die BBC berichtete: „Während Polen und UK Pläne enthüllten, zum ersten Mal Kampfpanzer zu liefern, sagte Herr Reznikov, er sei sicher, dass die Ukraine Panzer, Kampfflugzeuge und auch Langstreckenwaffen erhalten würde, die Ziele in 300km Entfernung treffen, denn „die Dinge ändern sich in westlichen Ländern“.

Der staatseigene britische Sender fügte hinzu: „Er bestritt Bedenken, dass die Ankündigung eine russische Antwort auslösen könnte, trotz der mittlerweile altbekannten Drohungen aus Moskau.“

Bedauernswerterweise haben wir eine Stufe erreicht, auf der Russlands Warnungen zu weiteren Waffenlieferungen der NATO an die Ukraine als leere oder „mittlerweile altbekannte“ Drohungen aufgefasst werden.

Das bedeutet, dass trotz der offensichtlichen Eskalation des Konfliktes duch Waffenlieferungen an die Ukraine und der offensichtlichen Gefahr eines totalen Krieges mit Russland die westlichen Mächte in ihrem Wahnsinn noch eins draufsetzen.

Die Ankündigung Großbritanniens in der vergangenen Woche, als erstes NATO-Mitglied Challenger-Kampfpanzer zu entsenden, wurde von Russland mit einer wütenden Warnung vor einer Eskalation beantwortet. Die westlichen Mächte würden nur den Krieg und das Leiden verlängern, das Risiko eines größeren Konflikts zwischen nuklearen Gegnern erhöhen und diplomatische Alternativen unterdrücken, und dennoch fahren dieselben westlichen Mächte damit fort, mehr Waffen zu beschaffen und sich zu engagieren.

Russland reagierte auf die Berichte über die Entsendung von Panzern in die Ukraine am vergangenen Wochenende mit verstärkten Luftangriffen in der Ukraine. Am 14. Januar brachte offenbar eine Rakete einen neunstöckigen Wohnblock in Dnipro zum Einsturz, wobei bis zu 40 Zivilisten getötet wurden. Russland bestritt, dass es auf Wohngebäude abzielte. Berichten zufolge räumten ukrainische Beamte ein, dass der Einschlag möglicherweise durch die eigene Luftabwehr verursacht worden sei. Es wäre nicht das erste Mal, dass dies der Fall ist.

Doch die westlichen Medien waren voll von verurteilenden Schlagzeilen und Fernsehberichten über das, was als russische Barbarei bezeichnet wurde. Der Tonfall der Medien erinnerte an die Szenen in Syrien, wo die von der NATO unterstützte Propagandagruppe der so genannten Weißhelme die Luftangriffe als Kriegsverbrechen des „bösen Assad-Regimes“ und seiner russischen Verbündeten darstellte.

Der Propagandakrieg, auch bekannt als die Berichterstattung der westlichen Medien, stellt Russland als das personifizierte Böse dar, das Kinder unter Betonblöcken begräbt. Darauf spielte der ukrainische Verteidigungsminister an, als er sagte, „die Dinge ändern sich im Westen“.

Perverserweise wurde dieser Krieg von den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten mit dem Regimewechsel in Kiew im Jahr 2014 und der anschließenden Bewaffnung von Neonazi-Paramilitärs, die ethnische Russen im Donbass töteten, angezettelt. Das Kiewer Regime tötet weiterhin Zivilisten im Donbass durch gezielten Beschuss mit von der NATO gelieferten Waffen. Aber die westlichen Medien berichten nicht darüber. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, Russland als „barbarisch, von einem despotischen Putin regiert“ darzustellen.

Die Warnungen Russlands vor der zunehmenden Einmischung der NATO sind entweder auf taube Ohren gestoßen oder wurde als finstere russische Paranoia verdreht. Das Ergebnis ist, dass die Waffenlieferungen der NATO zunehmen und immer offensiver werden. Das wiederum führt zu tragischem Leid und Tod, wie der verheerende Anschlag auf ein Wohnhaus in Dnipro am Wochenende gezeigt hat.

Doch anstatt innezuhalten und zu erkennen, dass es moralisch geboten ist, den Konflikt zu beenden und die Diplomatie zu suchen, tun die arroganten Westmächte das Gegenteil. Sie gießen noch mehr Öl ins Feuer, ohne Rücksicht auf die bevorstehende Feuersbrunst.

Die eigentliche Perversität besteht darin, dass Russlands Warnungen als Schwäche empfunden werden. Die Zurückhaltung und Geduld, die Russland angesichts der jahrelangen Provokationen und Aggressionen der NATO an den Tag gelegt hat, wird als Zeichen dafür abgetan, dass die NATO noch mehr Druck ausüben sollte, um Russland zu besiegen.

Das Kiewer Regime, so brüstet sich sein Verteidigungsminister Reznikov, erwarte dreist mehr Panzer und sogar Kampfflugzeuge von der NATO. Der Krieg gleitet in Richtung einer totalen Konfrontation ab.

Wenn Moskau nichts unternimmt, außer Warnungen an die NATO auszusprechen, die ignoriert oder verhöhnt werden, scheint es unvermeidlich, dass die NATO-Mächte die Eskalation fortsetzen werden.

Ist es an der Zeit, dass Russland „militärisch-technische Maßnahmen“ gegen NATO-Mitglieder einsetzt? Immerhin wurden Russlands Ölpipelines und Brücken von der NATO sabotiert und seine Wirtschaft durch Wirtschaftskriege bis zum Äußersten sanktioniert. Russland hat sicherlich das Recht auf Selbstverteidigung. Einem Tyrannen ins Gesicht zu schlagen, ist die beste Art, mit einem Tyrannen umzugehen.

Es ist sicherlich riskant und sollte nicht voreilig in Erwägung gezogen werden. Aber was ist die Alternative?